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Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02

Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02

Titel: Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das heilige Feuer
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matten Augen starrten mich glasig an; es war keinerlei Leben oder Erkennen in ihnen. Aber ich hatte sie erkannt. »Harriet?«, rief ich leise. »Was um alles in der Welt tust du da? Du könntest runterfallen.«
    Harriet antwortete nicht, sondern starrte nur weiter vor sich hin. Dann begann sie auf mich zuzugehen, kam Schritt um Schritt näher, immer noch mit diesem geisterhaften, toten Ausdruck im Gesicht.
    »Harriet!« Ich packte sie an den Schultern, und in meinem Kopf machte etwas klick. Sie ist nicht tot, sie schläft …
    Natürlich, Harriet schlafwandelte, das war alles. Sie
starrte mich weiter an, mit leerem Blick und ohne zu reagieren. Ihre Hand zuckte; dann begann ihr Kopf sich zu senken. Ich führte sie zu einer Holzbank, die in der Nähe der Treppe stand, und zwang sie, sich hinzusetzen. Als Harriets Kopf nach vorn sackte und ihre Brust berührte, wachte sie auf.
    »Harriet, was tust du hier draußen?«
    »Was?«, fragte sie und sah sich flüchtig um.
    »Weißt du, dass du schlafwandelst?«
    »Nein. Ich meine … ja, manchmal, aber jetzt schon seit Jahren nicht mehr.« Ihre Augen schienen sich zum ersten Mal richtig auf mich zu richten. »Bitte, erzähl es niemandem weiter, Evie.«
    »Wieso nicht? Kann dir die Krankenschwester nicht irgendwas geben, damit du das nicht mehr tust? Du könntest dich verletzen, wenn du so allein in der Dunkelheit herumläufst. Ich finde, die Lehrerinnen sollten das wissen. «
    »Nein, bitte, sag es ihnen nicht! Ich will nicht, dass sie es wissen. Ich bin sicher, dass ich es nicht wieder tun werde.«
    »Wieso hast du es denn getan?«, fragte ich.
    »Es liegt nur daran, dass ich an einem neuen Ort bin, weiter nichts.« Sie sah mich flehentlich an. »Bitte, erzähl es nicht weiter. Sie glauben doch so schon, dass ich … Egal, was machst du hier?«
    »Ähm … ich war wohl in einer Art Halbschlaf und dachte, ich hätte etwas im Flur gehört, deshalb bin ich hergekommen. Ich wollte nachsehen. Das ist alles. Und wir werden hundert Verwarnungen bekommen, wenn die Lehrerinnen wach werden und uns erwischen. Ich schätze,
wir sollten wieder ins Bett gehen und weiterschlafen. «
    Harriet blinzelte verängstigt. »Ich wünschte, meine Mom wäre hier.«
    Ich wollte nett zu ihr sein, aber irgendwie brachte sie mich dazu, mich gleichgültig zu fühlen, als könnte ich ihr gegenüber einfach nicht natürlich sein.
    »Hör zu, Harriet, es dauert einfach etwas, bis man sich an ein Internat gewöhnt hat. Du musst dir die Chance geben, dich einzufinden und Freundschaften zu schließen. Dann wirst du dich hier auch wohler fühlen.«
    Die alten Klischees klangen so gestelzt und herablassend. Sie sah mich mit ihren dunklen, verängstigten Augen an. »Glaubst du wirklich, dass ich Freundinnen finden werde? Ich habe das Gefühl, dass mich niemand mag.«
    »Sei nicht dumm.« Ich versuchte zu lachen. »Ich mag dich.« Aber ich war mir alles andere als sicher, ob das wirklich stimmte.
    »Tust du das? Tust du das wirklich?« Harriet starrte mich an und lächelte dann dankbar. »Dann habe ich eine Freundin, ja? Ich gehe jetzt ins Bett. Es ist sonderbar«, sagte sie, als sie sich erhob. »Eines dieser Zimmer muss das Schlafzimmer von Lady Agnes gewesen sein. Es ist, als wären wir in ihrem Schatten … na ja, gute Nacht.«
    »Warte, Harriet, warte einen kleinen Moment!« Da war etwas, das ich sie fragen musste. »Ich habe mich gefragt, ob deine Familie irgendetwas mit Lady Agnes zu tun hat — weißt du, mit den Templetons, die einmal hier gelebt haben? Seid ihr … äh, irgendwie mit ihnen verwandt? «

    Sie sah mich plötzlich wieder mürrisch an. »Sind wir nicht alle irgendwie miteinander verwandt, wenn wir weit genug zurückgehen? Was spielt es überhaupt für eine Rolle?«
    »Bitte, Harriet, ich muss es wissen. Es könnte wichtig sein.«
    Die Stille um uns herum schien noch intensiver zu werden.
    Harriets blasse Wangen färbten sich rötlich. »Templeton ist der Name meiner Mutter. Meine Eltern haben sich scheiden lassen, und ich sehe meinen Vater kaum. Er ist nicht sehr interessiert … Ich meine, er ist wirklich sehr beschäftigt. Wie auch immer, nach der Trennung hat meine Mutter gewollt, dass ich Templeton heiße, so wie sie.«
    »Du hast gesagt, dass deine Mutter auch mal Schülerin in der Abteischule war. Weil sie mit den Wyldcliffe-Templetons verwandt ist?«
    Harriet wirkte verlegen. »Das ist nicht sehr wahrscheinlich. Meine Mutter war mit einem Stipendium hier. Ich glaube nicht, dass sie

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