Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02
aus, aber wir blieben nicht stehen, um sie zu bewundern. Wir liefen weiter zum Stallhof, wo die alte grüne Tür uns wieder zu den Dienstbotenunterkünften führen würde. Keuchend drückten wir die Tür auf und blieben schließlich stehen, schnappten nach Luft.
»Das muss der Hexenzirkel sein«, sagte ich, immer noch völlig außer Atem. »Er trifft sich.«
»Aber ich frage mich, wieso sie von der Krypta aus zur Grotte marschieren? Es ist nicht sicher dort, wenn alle da durchtrampeln.«
Ich wusste, warum der Hexenzirkel sich auf den Weg gemacht hatte. »Sie müssen irgendwie rausgefunden haben, dass wir uns in der Grotte treffen.«
»Aber wie?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Wer weiß, wer uns in ihrem Auftrag ausspioniert? Vielleicht können sie aber auch den Talisman spüren und werden irgendwie zu ihm hingezogen? Und diese Nachricht, die ich erhalten habe, muss sich auf heute bezogen haben — darauf, dass der Angriff heute stattfindet.« Ich hätte Angst haben sollen, aber ich hatte keine. Plötzlich begann ich leise zu lachen. »Wer immer dies geschrieben hat, wird sehr enttäuscht sein. So leicht werden sie mich nicht los. Du warst zu schlau für sie, Sarah. Sie werden uns nie kriegen. «
»Ich möchte trotzdem nicht, dass Miss Scratton mitkriegt, dass ich nicht in meinem Bett liege. Komm. Helen müsste inzwischen bereits wohlbehalten in deinem Schlafsaal sein. Gehen wir so schnell wie möglich zurück.«
Ich machte meine Taschenlampe an, und wir stapften rasch den muffigen Gang entlang, schlichen dann die Hintertreppe zum dritten Stock hoch.
»Du zuerst«, sagte ich. »Ich warte noch zehn Minuten, bis du in deinem Schlafsaal bist; dann gehe ich in meinen. Wir sollten darauf achten, dass wir nicht zusammen gesehen werden. Wenn du irgendjemandem begegnest, kannst du immer noch sagen, du hast ins Badezimmer gehen müssen. Ich mache das Gleiche.«
Sarah schlüpfte in den Hauptkorridor und zog die Tür leise hinter sich zu. Im letzten Term hatte ich hier einmal Panik bekommen, als ich in dem unbenutzten Treppenhaus eingeschlossen gewesen war, aber jetzt war ich, so hoffte ich, mutiger. Ich versuchte, mir die Zeit damit zu vertreiben, dass ich mir Geschichten über die jungen Bediensteten
ausdachte, die tatsächlich einmal diese Treppe benutzt hatten, um zu Agnes’ Lebzeiten Arbeiten zu verrichten. Hatte sie sie in ihrem Tagebuch nicht sogar erwähnt? Ich versuchte, mich an die Namen zu erinnern, als mir etwas ins Auge fiel.
An die Mauer, die der Tür zum Korridor gegenüberlag, schien schon vor langer Zeit eine grobe, unbearbeitete Holzplatte genagelt worden zu sein. Sie war dreckig und voller Spinnweben, und ich hatte sie noch nie zuvor bemerkt. Ich versuchte, eine Ecke der Platte mit den Fingern loszumachen, und das Holz zerkrümelte einfach zu Staub. Zurück blieb ein ausgefranstes Loch in der Mauer. Ich hielt die Taschenlampe hoch und blinzelte durch das Loch. Mein Blick fiel auf noch mehr Stufen, die zum verlassenen Dachboden hinaufführten. Ich war versucht, das ganze Holzstück wegzunehmen und der Sache nachzugehen, aber irgendetwas hielt mich davon ab. Gesunde, vernünftige Evie. Sarah musste inzwischen in ihrem Schlafsaal angekommen sein, und ich musste das Gleiche tun, sagte ich mir. Jetzt, da der Hexenzirkel aktiv wurde, war nicht der Zeitpunkt, um sich in irgendwelche weiteren Abenteuer zu stürzen. Ich würde vernünftig sein. Ich würde ins Bett zurückgehen.
Vorsichtig öffnete ich die Tür zum Korridor und betrat den Hauptteil der Schule. Vor dem Badezimmer leuchtete matt eine Lampe. Während ich zu meinem Schlafsaal schlich, hörte ich ein leises Geräusch. Auf der anderen Seite des langen Ganges, am oberen Ende der Marmortreppe, war die schlanke Gestalt eines Mädchens zu sehen. Mondlicht fiel durch das gewölbte Fenster über den
Stufen und ließ ihr weißes Nachthemd hell leuchten. Sie stand unnatürlich still da und starrte wie eine Statue über den Rand des Geländers.
Wie ein Geist.
Dreizehn
A gnes?« Während ich nähertrat, begriff ich, dass dieses Mädchen nicht so groß wie Agnes war und dass ihre Haare dunkel waren und nicht rötlich braun. »Wer ist da?«
Das Mädchen reagierte nicht auf mich. Sie beugte sich weiter über die schmiedeeiserne Balustrade, die sie als Einziges noch davon abhielt, wie eine Puppe nach unten auf den fünfzig Fuß tiefer gelegenen Boden des Erdgeschosses zu stürzen.
»Pass auf!«
Langsam drehte sie ihr Gesicht in meine Richtung. Ihre
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