Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02
zu Boden gleiten und stellte sich schützend neben das Mädchen. Er wirkte mürrisch, als hätte sich die Unterhaltung in einen Streit verwandelt. Sarah trat jetzt zu mir, während ich zusah.
»Sieht aus wie Celeste und India. Ich hoffe, sie haben nicht vor, sich hier umzusehen.«
»Aber mit wem reden sie da?«, fragte ich.
»Könnten Kinder aus dem Dorf sein.« Sarah runzelte die Stirn. »Oder vielleicht … Ja, Josh hat gesagt, dass im Lager auf der anderen Seite des Dorfes — auf diesem freien Platz bei der Straße – ein paar Familien angekommen sind. Ich schätze, die beiden kommen von da.«
»Du meinst, es sind …« Ich zögerte. »Du meinst, es sind Zigeuner?«
»Ich schätze, ja. Ich würde gerne mal mit ihnen sprechen, wenn ich Gelegenheit dazu habe.«
Sarah war sehr stolz auf ihr Roma-Blut und hatte ein kostbares Foto von ihren Vorfahren aus längst vergangener Zeit neben ihrem Bett stehen. Aber Celeste schien den beiden jungen Fremden gegenüber nicht sehr freundlich gesinnt.
Genau in diesem Moment sagte sie wütend etwas zu ihnen und riss dann ihr Pferd herum und galoppierte davon, gefolgt von India auf ihrem langbeinigen, nervös wirkenden Fuchs. Der Junge zuckte mit den Schultern und sagte etwas zu dem Mädchen, dann sprang er mit einem Satz, der beachtliche Geschwindigkeit und Kraft verriet, auf sein Pferd. Sie ähnelten so gar nicht den romantischen Vorstellungen, die ich von Zigeunern hatte, aber sie wirkten … Ich weiß nicht, irgendwie widerstandsfähig, Teil der Landschaft, weniger gekämmt und poliert als die Wyldcliffe-Schülerinnen mit ihrer teuren Ausrüstung, aber viel lockerer. Sie ritten jetzt ebenfalls davon.
»Komm«, sagte ich, »gehen wir wieder rein.« Ich zog Sarah zurück in das Trümmerhaus. »Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Wenn Helen aufgehalten worden ist, müssen wir ohne sie anfangen.«
Ich kehrte zu der Stelle zurück, an der ich gegraben hatte, und versuchte, noch etwas Erde wegzukratzen. Ein paar Augenblicke später wirbelte die Luft, und es wurde hell, und dann trat Helen in mein Blickfeld, als wäre sie vom Wind hergeweht worden. Ich gewöhnte mich allmählich daran, dass sie so aus dem Nichts auftauchte.
»Alles klar?«, fragte Helen. »Du siehst aus, als hätte dich etwas aufgeregt.«
»Es ist nichts, keine Sorge«, sagte ich. »Aber da draußen in den Hügeln sind andere Reiter. Wir glauben, dass wir den richtigen Ort gefunden haben, aber wir dürfen nicht gesehen werden.«
»Ich habe einen Spaten und noch ein paar andere Sachen mitgebracht«, sagte sie und deutete auf die grobe Leinentasche über ihrer Schulter. »Ich habe sie aus dem Schuppen des Gärtners. Ich werde Wache halten, wenn ihr graben wollt.«
Aber ich zitterte immer noch zu sehr, um irgendwie von Nutzen sein zu können. Ich hatte Agnes gesehen, hier in diesem verlassenen Haus, und ich konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass etwas Schlimmes passieren würde. Die Worte, die ich sie in der Grotte hatte sprechen hören, kehrten jetzt in einem Schwall zu mir zurück, und ich fühlte mich krank und benommen. Folge meinem Weg ... sie kommen ...
»Ich werde graben, wenn du willst«, sagte Sarah. Ich nickte dankbar und versuchte, wieder zu Atem zu kommen, während Sarah sich in der Ecke hinkniete und den Boden abtastete. Die alten Dielen waren verrottet, und sie berührte die nackte Erde, als würde sie etwas sehr Kostbares anfassen. Erde für Sarah …
»Da unten ist was«, sagte sie aufgeregt. »Ich kann es in der Erde fühlen, es ruft uns. Gib mir mal den Spaten.«
Geschickt machte sie sich daran, die oberste Erdschicht abzutragen, dann warf sie den Spaten zur Seite und fing an, die Erde vorsichtig mit den Fingern wegzuscharren. Etwas löste sich aus dem Lehm, und sie hob es heraus.
»Es ist ein altes Kästchen«, sagte Sarah und wischte den Schmutz von den Seiten ab. »Mach es auf, Evie. Es muss mal den Leuten von Uppercliffe gehört haben.«
Sie reichte mir das schwarze Kästchen. Es bestand aus Zinn und war vollkommen verrostet. Es gab kein Schloss, nur eine behelfsmäßige Schnalle, um es zu schließen. Ich zog sie mit einem Ruck auf.
»Wow.« Sarah schnappte nach Luft. Ein Duft von Rosenblüten stieg aus dem kleinen Kästchen auf, trocken und staubig, aber immer noch süßlich.
»Es muss ungeheuer alt sein«, sagte Helen. »Und was ist das?«
Ich nahm einen weichen Leinenbeutel hoch und steckte meine Finger hinein. Sie schlossen sich um etwas Hartes und Kaltes. Es war
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