Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02
»Meine Familie wohnt schon ewig hier. Außerdem hat uns der Hof vor Jahren einmal gehört.«
Mein Herz machte einen Satz. Noch eine Verbindung. Nichts in Wyldcliffe war einfach; nichts war das, was es zu sein schien. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, aber bevor ich mich entscheiden konnte, platzte ein Mädchen namens Julia Symons in die Stallungen. »Alle sollen sofort in den Speisesaal kommen«, sagte sie wichtigtuerisch. »Miss Raglan will, dass sich alle unverzüglich dort einfinden.« Sie lief wieder weg, und ich konnte sie rufen hören: »Alle in den Speisesaal!« Eine Glocke läutete in der Ferne.
»Du solltest jetzt besser gehen«, sagte Josh. »Ich mache das für dich weiter. » Er nahm mir sanft die Bürste aus der Hand, mit der ich Bonnys Fell gestriegelt hatte, und unsere Hände berührten sich einen Moment. »Nächste Woche also?«
»Ähm, ja. Danke.«
Ich drehte mich um und rannte davon. Waren das die Neuigkeiten, auf die wir alle warteten? Ob Mrs. Hartle am Leben oder tot war?
Neunzehn
W ir standen in schweigenden Reihen im Speisesaal und warteten darauf, dass Miss Raglan, die Vertretung der Obersten Mistress, zu sprechen begann. Harriet Templeton und Julia Symons standen neben ihr. Sie wirkten beide aufgebracht.
»Wir haben schlechte Nachrichten, Mädchen«, sagte Miss Raglan. »Während ihr euch heute Nachmittag erholt habt, hat eine Person ein Verhalten gezeigt, das keinerlei Respekt für die Behaglichkeit oder das Glück unserer Gemeinschaft erkennen lässt.« Ihre Worte waren ernst, aber sie wirkte belebt, sogar aufgeregt. »Es hat eine Reihe von Diebstählen gegeben. Diesen beiden Mädchen hier sind heute Nachmittag wertvolle Gegenstände abhandengekommen, Schmuckstücke, die in ihren Schlafsälen gewesen sind. Wenn dies auch sehr betrüblich ist, muss ich euch doch daran erinnern, dass hier keinerlei Schmuck erlaubt ist und alle wertvollen Gegenstände zu Beginn des Terms abgegeben werden müssen. Auf diese Weise können wir solche unangenehmen Zwischenfälle vermeiden.«
Sie hielt inne und sah sich um. Bildete ich es mir ein, oder blieb ihr Blick wirklich einen Moment länger an mir hängen? Ich spürte, wie mein neu gewonnenes Medaillon
unter dem Pullover auf der Haut brannte, aber ich hielt ihrem Blick stand, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich würde diese Erinnerung an Effie nicht so leicht aufgeben. Was den Talisman betraf, so lag er ruhig in seinem Bett aus Lehm, und Miss Raglan würde ihn niemals finden.
»Die Lehrerschaft durchsucht in diesem Moment die Schlafsäle nach den fehlenden Gegenständen, und was immer sonst an Wertsachen gefunden wird, gerät in unsere Verwahrung. Wer von euch immer noch ein Schmuckstück trägt, muss es mir jetzt geben. Es wird kein Wort darüber verloren werden, aber wer sich dieser Regel weiterhin widersetzt, wird die Konsequenzen zu tragen haben. «
Es gab eine kurze Pause; dann machten ein paar Mädchen die Ketten los, die sie unter dem Pullover getragen hatten. Miss Scratton schritt mit einem Korb an den Reihen entlang, und die Ketten fielen eine nach der anderen hinein. An mir ging sie vorbei, ohne mich auch nur anzusehen.
»Ich muss wohl kaum sagen, dass, wer auch immer irgendwelche Informationen über diesen Vorfall hat, nachher zu mir kommen muss«, verkündete Miss Raglan. »Bei den vermissten Gegenständen handelt es sich um einen Tiffany-Diamant-Anhänger und ein kleines silbernes Herz an einer Kette.«
»Es gehört mir«, platzte Harriet heraus. »Meine Mutter hat es mir gegeben. Es gehört mir, und ich will es zurückhaben. «
Ein paar Mädchen kicherten über ihr rotes Gesicht und die blinzelnden Augen, aber nicht viele. Wenn es etwas
gab, das die Schülerinnen von Wyldcliffe verstanden, dann die Bedeutung von Eigentum.
»Und ich bin mir sicher, dass wir es schon bald zurückbekommen werden«, sagte Miss Raglan weich. »Wir können in Wyldcliffe keine Diebe dulden.«
Miss Raglan entließ uns. Harriet brach in Tränen aus und schoss davon. Die Schülerinnen teilten sich in Gruppen auf und tratschten über dieses jüngste Drama.
»Es tut mir leid für Julia, aber ich weiß nicht, warum irgendjemand sich die Mühe machen sollte, Harriets Plunder zu stehlen«, höhnte India, während sie sich bei Celeste unterhakte. »Als wäre er irgendwie wertvoll. Mein Gott, ein billiges kleines Herz an einer billigen Kette. Wahrscheinlich hat Harriet es aus einer Packung Cornflakes.«
Sie und Celeste lachten ihr grausames, schrilles
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