Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02
ist die, ich mache mir Sorgen um meinen Freund. Er ist … nun, er ist krank. Und ich mache mir solche Sorgen. Ich weiß nicht, was passieren wird.«
»Es tut mir leid, dass er krank ist. Aber bekommt er denn keine Hilfe? Kümmern sich seine Eltern nicht um ihn?«
Ich schwieg auf seine Fragen. Ich wollte Josh nicht anlügen, aber ich konnte ihm auch unmöglich die Wahrheit sagen. Fröstelnd, müde und unglücklich machte ich mich daran, die Auffahrt zur Schule hochzugehen. Josh folgte mir; er führte sein Pferd an den Zügeln.
»Ich weiß, dass du mir nichts darüber erzählen willst, Evie, aber ich wünschte, dass du nicht aus allem so ein Geheimnis machen würdest.« Er warf einen Blick zu den Hügeln hinüber, die die Schule umgaben. »Dieser Ort ist schon immer voller Geheimnisse gewesen. Damit meine ich nicht all den Kram über Lady Agnes und ihren Geist. Es gibt andere Gerüchte. Seltsame Dinge. Aber irgendwann kommt die Wahrheit doch raus.«
»Ist das nicht einfach nur dummes Gerede?«, fragte ich müde.
»Ich bin mir da nicht so sicher. Es gibt Geschichten,
dass es hier irgendeinen geheimnisvollen Kult geben soll – Frauen, die einen heidnischen Meister anbeten. So was wie einen Hexenzirkel.«
»Einen H-Hexenzirkel?« Ich starrte ihn an, unfähig, die Röte und Verblüffung aus meinem Gesicht fernzuhalten.
»Ich habe recht, nicht wahr, Evie?«, rief Josh. »Hast du etwas mit alldem zu tun? Bist du in Gefahr?«
»D-du kannst diesen Kram nicht ernsthaft glauben«, stammelte ich und versuchte, meine Gefühle zu verbergen.
»Ich habe mein ganzes Leben in diesen Hügeln verbracht. Sie sind voller Geheimnisse, wie die Sterne und der Regen und das Meer. Wir wissen in Wirklichkeit so wenig. Ich habe gelernt, dass alles und nichts möglich ist.«
»Ja«, flüsterte ich.
»Also, wer ist dieser Junge, den du triffst? Hat er etwas mit diesen Frauen zu tun?«
Ich fühlte mich so zerrissen. Ich wollte es ihm so gern erzählen, aber ich konnte nicht.
»Natürlich nicht«, polterte ich los. »Hör zu, ich muss jetzt wirklich zur Schule zurück. Wenn mich jemand sieht, werde ich sagen, dass ich in der Frühe einen Spaziergang gemacht habe. Ich danke dir, Josh. Bis später.«
Wir hatten die Stallungen erreicht.
Ich wandte mich um und wollte gehen, aber er griff nach meiner Hand und zog mich sanft zu sich heran. »Hör zu, Evie, ich weiß, dass dein Herz bei jemand anderem ist, aber ich möchte, dass du weißt, dass du zu mir kommen kannst, wenn du Hilfe brauchst.« Er sah mich
an, als versuchte er, meine Gedanken zu lesen, und dann lächelte er. »Wie ich sehe, trägst du das Medaillon immer noch.«
Ich hob automatisch die Hand und fasste an meinen Hals. »Oh … ja …«
Aber ich hatte doch gesehen, wie es ins Feuer geworfen worden, wie es von der Hitze matt geworden war. Die Kette war zerrissen gewesen, und trotzdem war sie jetzt wieder ganz, und das etwas lädierte kleine Medaillon ruhte still auf meiner Haut. Noch so ein Rätsel.
»Evie … oh, Evie, Gott sei Dank! Wo warst du bloß?« Sarah und Helen kamen auf uns zugelaufen. »Alles in Ordnung?«
»Sie ist müde und aufgebracht«, sagte Josh leichthin. »Kümmert ihr euch jetzt um sie.« Er schlenderte davon und pfiff dabei leise vor sich hin. Sarah zerrte mich in Bonnys warmen Stall.
»Ich bin heute früh aufgewacht und wusste einfach, dass du nicht in der Schule warst«, sagte sie.
»Wir haben uns große Sorgen um dich gemacht«, erklärte Helen. »Was ist passiert?«
Ich erzählte ihnen alles und erlebte dabei jeden einzelnen schmerzhaften Moment des Treffens mit Sebastian noch einmal.
»Es ging ihm also letztlich doch nicht um mich. Er wollte nur den Talisman«, sagte ich und versuchte zu verhindern, dass meine Stimme zitterte. »Und heute ist Sebastians letzter Tag. Ich dachte, es würde alles ganz anders werden. Aber es war umsonst. Alles, was zwischen uns gewesen ist … er hat es vergessen. Er hat vergessen, dass er mich jemals geliebt hat. Und jetzt wird alles genau
so passieren, wie er es vorausgesagt hat. Er wird zu einem …« Ich konnte nicht aussprechen, zu was er werden würde. Ich fing wieder an zu weinen.
Helen nahm meine Hand. »Vergiss nicht, dass da noch andere Kräfte am Werk sind«, sagte sie. »Wir sehen nicht das ganze Bild. Es ist noch nicht zu spät.«
»Wie Lady Agnes gesagt hat, ist nicht einmal der Tod das Ende«, murmelte Sarah.
»Aber dies ist nicht der Tod, oder?«, fragte ich. Mein Kummer zermalmte mich fast.
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