Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02
ein Salon mit verhüllten Spiegeln
und mattem Goldbrokat; ein üppig ausgestattetes, rotes Esszimmer mit einem langen Tisch aus Mahagoni, an dem niemals wieder jemand essen würde; ein Musikzimmer, in dem ein Klavier darauf wartete, von seit langem toten Händen berührt zu werden; und die Bibliothek, deren Wände mit tausend Büchern gesäumt waren.
Die Bibliothek. Zögernd blieb ich vor der Tür stehen. Sie war angelehnt, und im Zimmer dahinter flackerte ein unruhiger Lichtschein. Langsam schob ich die Tür auf und trat hinein. Ein Feuer brannte auf dem Feuerrost. Die Bücher, die Tische, die Lederstühle – alles war noch genauso wie vorher. Ich ging zum Kamin und hob den Blick zu den Porträts von Sebastians Eltern, die über dem geschnitzten Kaminsims hingen. »Wenn ihr mich hören könnt, helft mir bitte«, bat ich sie.
»Sie können dich nicht hören.«
Ich unterdrückte einen Schrei und wirbelte herum. Sebastian stand auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers. Seine Augen brannten. Sein Gesicht war blutig, und seine Atemzüge rasselten. Es war, als würde er einen Schatten aussenden, eine dunkle Aura, die Leben und Licht und Hoffnung aufsaugte. Aber er war immer noch da; es war also immer noch Zeit …
»Sebastian«, schluchzte ich und machte einen Schritt auf ihn zu. Er riss die Hände hoch, als wären sie ein Schild.
»Rühr mich nicht an! Komm mir nicht näher.«
»Wieso nicht? Was ist passiert?«
»Mein Schicksal. Bald, schon sehr bald werde ich ein Dämon sein. Es ist schon fast so weit.«
Ich hatte das Gefühl, als würde ich vor Kummer und
Angst und Schuldgefühl wahnsinnig werden, und ich sank auf einen der niedrigen Stühle, die vor dem Feuer standen. »Es tut mir so leid, Sebastian, es tut mir so leid. Ich bin gekommen, um es dir zu sagen. Ich habe mich so sehr bemüht, aber ich habe versagt.«
»Du hast versagt«, wiederholte er mit grausiger, toter Stimme. »Es tut dir leid.« Dann blickte er quer durch den Raum, und seine Augen wurden schmal. »Ich erinnere mich, da war ein Mädchen wie du … ein Mädchen vom Meer. Sie wollte mich retten, aber es ist zu spät. Morgen um Mitternacht werde ich nicht mehr in dieser Welt sein.« Dann stolperte er vorwärts, beschirmte seine Augen und schnaufte wie ein Kind. »Ich habe solche Angst.«
Ich konnte es nicht ertragen, ihn so zu sehen. Ich war so fest davon überzeugt gewesen, dass ich Sebastian retten würde, dass ich mir gar nicht gestattet hatte, darüber nachzudenken, was geschehen würde, wenn ich versagte. Selbst jetzt konnte ich noch nicht aufgeben. »Ich werde dich retten, Sebastian. Ich werde einen Weg finden, irgendwie. Wir haben noch einen Tag – wir haben noch morgen.«
»Dann warst du das?« Sein Blick flackerte über mich hinweg. »Dieses Mädchen … bist du?«
»Ja, ich bin es, Evie. Oh, Sebastian, erinnerst du dich nicht mehr?«
Er fasste sich an den Kopf und stieß einen schrecklichen Schrei aus. »Evie … Evie, du bist es!« Einen Augenblick später schoss er durchs Zimmer und riss mich in seine Arme, hielt mich so fest, als könnte nichts uns je wieder trennen. »Du bist hier, du bist zurückgekommen! Oh Gott, verlasse mich nie wieder.«
»Nein, das tue ich nicht, ich verspreche es dir«, erwiderte ich voller Freude, aber dann riss mich der Anblick seines hageren Gesichts rasch in die Wirklichkeit zurück. »Sebastian, ich muss dir etwas sagen. Es hat mit dem Talisman zu tun.«
»Sprich nicht von ihm! Wenn du wüsstest, wie sehr er mich in meinen Träumen gequält hat – aber ich habe ein Versprechen gegeben, nicht wahr, Evie?«, murmelte er. »Ich werde verblassen, damit du leben kannst. Ich habe es geschworen. Ewige Sklaverei für mich und dafür das Leben für dich.« Er küsste mich auf die Stirn, dann trat er zurück und ließ mich mit einem verzerrten Lächeln los. Das rote Licht vom Kamin schien in seinen Augen zu glühen, und sein Gesicht veränderte sich. Er starrte mich seltsam an, und jetzt war keinerlei Wiedererkennen mehr in seinen Augen. »In der Tat ein schöner Handel.«
»Sebastian …«
»Sebastian, Sebastian«, äffte er mich spöttisch nach. »Bist du gekommen, um meine letzten Momente mitzuerleben? Bist du gekommen, um zu triumphieren, weil ich mein Versprechen gehalten habe?« Er lachte. »Aber ich habe nicht vor, es zu halten. Ich habe nicht vor, zu verblassen. Gib mir den Talisman!«
»Ich habe ihn nicht. Ich bin gekommen, um dir das zu sagen. Der Talisman ist verschwunden.«
»Du
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