Girl Parts – Auf Liebe programmiert
Plastikflasche zum Vorschein. Sie sah genauso aus wie die, an der sie sich auf dem Campingplatz festgehalten hatte, mit der witzigen Ziege samt Filzhut an der Seite.
»Meine Lieblingsmarke«, sagte Rebecca, die Roses Blick auffing. »Also, worauf trinken wir?«
»Ich kann nicht«, sagte Rose. »Ich …«
Das heißt – sie konnte. Da war keine Stimme, die es ihr verbot, kein tanzender Lichtpunkt.
»Ach, klar kannst du.« Rebecca schob die Lippen vor. »Trinken wir … trinken wir darauf, dass wir unabhängige Frauen sind. Die. Keine. Männer. Brauchen.«
Rebecca nahm einen Zug, die klare Flüssigkeit schwappte in der Flasche. Sie schüttelte sich, wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und gab die Flasche an Rose weiter. Das Zeug dadrin roch wie Davids Garage. Rose trank einen Schluck. Zuerst schmeckte es nach nichts. Dann aber jagte ihr ein zweites leeres Schlucken, diesmal ein Feuerball, den Wodka die Kehle hinunter. Heiße Kohlen glühten in ihrem Magen. Sie musste husten.
»Na ja, es ist kein Grey Goose.« Rebecca griff nach der Flasche. »Okay, worauf trinken wir jetzt?«
Rose überlegte. »Lass uns auf … das Brechen von Regeln trinken.«
»Ha!« Rebecca nahm einen kräftigen Zug und reichte die Flasche weiter. Rose machte es ihr nach. Sie wischte sich den Mund ab und rülpste. Die Mädchen kicherten.
Bald verbreiteten die Kohlen in Roses Magen Hitze bis in ihre Gliedmaßen und ihr Gesicht. Die Wärme war eine angenehme Begleiterscheinung.
Dann trübte sich Rebeccas Stimmung plötzlich. »Also, ich hab sehr viel über dieses Mädchen nachgedacht.«
»Welches Mädchen?«
»Die, die sich umgebracht hat.« Rebecca hickste. »Ich kannte sie nicht besonders gut, verstehst du? Sie muss total einsam gewesen sein. In der Nacht, als sie starb, hatte ich übrigens ein Date. Ein grauenvolles Date. Der Typ war so süß, aber ich hab’s einfach nicht geschafft … ich kam mir vor wie jemand, der mitten in einer Aufführung seinen Text vergessen hat. Kannst du das irgendwie verstehen? Ich wär wirklich am liebsten gestorben.« Sie studierte die Bilder an ihren Wänden. »Was ist, wenn mir das passiert?«
»Wenn dir was passiert?«, fragte Rose. Irgendwie hatte sie Mühe, Rebeccas Worten zu folgen.
»Was ist, wenn ich eines Tages wach werde und entscheide, dass ich es nicht mehr schaffe, allein zu sein? Und ich muss einfach nur … ich hab sogar mal dran gedacht, Tabletten zu schlucken, genau wie sie. Aber ich hatte dann zu viel Angst. Ich frage mich, ob mich irgendwer vermissen würde. Würde es überhaupt was ändern?« Rebeccas bereits gerötete Wangen nahmen eine noch dunklere Färbung an. Sie guckte unter ihren Wimpern hervor zu Rose hoch. »Hast du jemals solche Gedanken gehabt?«
»Ich bin in einen See gesprungen«, sagte Rose. »Um die Stimmen in meinem Kopf zum Schweigen zu bringen.«
Rebecca kniff die Augen zusammen. »Was?«
Rose stellte ihre Füße auf den Boden, der sich unverhofft wackelig anfühlte. Irgendetwas Komisches passierte gerade. Farbige Flecken tanzten vor ihren Augen, rote, gelbe, blaue, und verschmolzen miteinander. Die bunten Lichter waberten umher und flimmerten. Rose roch auf einmal Senf. Sie spürte Regen auf ihrer Haut. Sie sah Primzahlen, die von einhundert abwärts zählten.
»Mir geht’s nicht besonders gut.« Sie versuchte aufzustehen, lag aber plötzlich auf dem Boden. Die Landung tat nicht weh, aber jetzt erfüllte der Geruch von Zigarettenrauch ihre Nasenflügel. Keuchend rollte sich Rose auf den Rücken. Ein Gewicht lastete auf ihrer Brust. Sie war von Eis bedeckt. Die bunten Lichter waren verschwunden, aber es blieb der Geruch nach Rauch, zusammen mit Zwiebeln und chemischer Bleiche.
Sie schloss ihre Lider und versuchte diese Wahrnehmungen auszulöschen. Als sie die Augen wieder aufschlug, stand Rebecca über sie gebeugt.
»Rose? Rose?«
Als Rose ihren Namen hörte, verschwanden die Gerüche und der Druck auf ihrer Brust. Rebecca schüttelte sie sanft. Sie sagte etwas, aber irgendwo zwischen ihrem Mund und Roses Ohren verhedderten sich die Worte. Wortsalat.
»Rose? Zum-Glück-solltest-warte-besser-jetzt-richtig-zwei?«
Rose konzentrierte sich, aber sie bekam den Sinn nicht heraus. »Ich habe dich nicht verstanden.«
»Du-Geld-richtig-treten-fühlst-blass-schlecht?«
Stöhnend rollte sich Rose auf die Seite. Die Nebelschleier begannen sich zu lichten. Rebeccas Worte rückten wieder an die richtige Stelle.
»Alles in Ordnung, Rose?«
»Ich …
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