Girl
da Sie aufgeweckt und intelligent sind. Und wenn Sie’s nicht sind, dann wird das eben unser kleines Geheimnis bleiben.«
»Und wann geht die Veranstaltung über die Bühne?«
»Ich sagte doch schon, heute Abend. Es wird eine Gesprächsrunde mit der Moderatorin, Marcie Tiphook, einer feministischen Autorin aus Amerika, namens Dierdre LaChatte, und einem Typen namens Matthew Mailing, der gerade ein Buch geschrieben hat, wie unfair der moderne Mann in der heutigen Gesellschaft behandelt wird. Die Sendung wird um halb acht aufgezeichnet. Um halb sechs schicken sie einen Wagen vorbei, der Sie abholt.«
»Aber wir haben schon Viertel nach!« jammerte ich.
»Dann müssen Sie ja nicht mehr lange warten.«
Eine Stunde später stand ich in der Empfangshalle von TV Centre und schüttelte einem kleinen, dünnen Mann die Hand. Er sah aus wie der ewige Student: Schwarze Jeans, T-Shirt, Holzfällerhemd und goldene Nickelbrille. Über eine Schulter hatte er sogar einen kleinen Rucksack geschwungen.
»Hi, ich bin Andy Pallister«, sagte er. »Ich bin der Produktionsassistent. Schön, dass Sie es noch geschafft haben. War vermutlich ziemlicher Stress. So ganz auf die letzte Minute.
Zumindest sind wir jetzt beinahe komplett. Matt Mailing ist unterwegs, und Dierdre LaChatte ist gerade in der Maske. Sobald sie fertig ist, schlüpfen Sie rein. Was halten Sie davon, wenn wir uns in der Zwischenzeit zusammensetzen und bei einer Tasse Tee den Plan für die Sendung durchgehen?«
Wir stiegen ein paar Treppen hoch, durchquerten ein Labyrinth von Gängen und landeten in einer Kantine mit einem kleinen Selbstbedienungs-Buffet und einem guten Dutzend Tischen. In einer Ecke saßen drei junge Burschen mit identischem Bürstenschnitt, nacktem Oberkörper und Cowboy-Lederhosen.
»Das sind die Noizee Boyz«, sagte Pallister.
Top of the Pops
wird heute Abend aufgezeichnet, und sie sind die Nummer eins. Da drüben bei den Sandwiches ist Mervyn Rudd, der Talk-Show-Moderator, im Gespräch mit dem Intendanten von BBC 2.«
»Sehr beeindruckend«, sagte ich. »Nichts gegen die Gästeliste, aber das Dekor ist eher bescheiden.«
Pallister blickte an den Wänden entlang, die in Schleimgrün gehalten waren. »Unternehmens-Psychologie«, sagte er. »Richtig ekelige Farben sind keineswegs billiger als angenehme, von Weiß ganz zu schweigen. Aber je schrecklicher es hier aussieht, desto eher sind Besucher aus der Politik und dem öffentlichen Leben davon überzeugt, dass wir die Fernsehgebühren nicht für Tapeten zum Fenster rausschmeißen.«
Ich lächelte höflich, wenn auch nervös. Ich machte mir Sorgen, was von mir erwartet würde, und ich sagte es Pallister.
»Kein Grund zur Beunruhigung, wirklich. Es wird so sein, dass Sie mit Matthew und Dierdre an einem Tisch sitzen. Sie werden ihren üblichen Zwist über Feminismus und Männer ausfechten – sie sind ein umwerfendes Gespann und Sie erzählen uns einfach ein bisschen über ihre persönlichen Erfahrungen mit Ihrer … äh, Ihrer …«
»Geschlechtsumwandlung?«
»Genau, yeah, und auch noch ein bisschen zu Ihrer Freundin Melanie. Was die Rolle beim Fernsehen für sie und für die Transsexuellen insgesamt bedeutet. Sie wissen schon, so in der Richtung.«
Ich wusste zwar nicht so genau, welche Richtung er meinte, aber es war keine Zeit mehr für weitere Fragen, weil jemand von der anderen Seite der Kantine aus Andy Pallister zuwinkte.
»Sorry, ich muss los«, sagte er. »Es wird jeden Augenblick jemand kommen und Sie zur Maske abholen. Wissen Sie was? Werfen Sie solange hier einen Blick rein … dann wissen Sie ungefähr, worüber die beiden anderen Gäste so reden werden.«
Er griff in seinen Rucksack und zog zwei Bücher hervor. Das eine hieß
Kampf der Geschlechter: Der weltweite Krieg gegen Frauen.
Auf dem Cover war ein mit Stacheldraht umwickelter Frauentorso abgebildet. Ungefähr da, wo der Bauchnabel der Frau sein musste, stand in fetten roten Buchstaben ein Pressezitat: »Dierdre LaChatte hat endlich die Wahrheit über das systematische Abschlachten von Frauen durch Männer gezeigt. Wir sollten ihr alle dankbar dafür sein« – Ms
Magazine.
Auf der Rückseite war eine aufgedonnerte Frau in den Dreißigern in Großaufnahme mit Weichzeichner abgebildet. Ein Blick auf ihre aufgeplusterte blonde Mähne und ihr niedliches Katzenschleifchen sagte einem sofort, dass es eine Amerikanerin sein musste. Das also war Dierdre LaChatte.
Matthew Mailing hatte ein etwas bescheideneres
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