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Girl

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Titel: Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Thomas
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steht Rennen noch ganz außer Frage –, und selbst das tut verdammt weh, abgesehen davon, dass es zum Schießen aussieht.
    Es verunsichert mich total. Wo ich auch bin, ich habe stets das Gefühl, alle würden auf meinen Vorbau gaffen. Dabei gehe ich allenfalls auf den Stationsfluren auf und ab oder drehe in meinem Trainingsanzug eine Runde im Krankenhauspark. Ich frage mich, ob das immer so bleiben wird.
    Es könnte ja sein, dass die Leute mich nur anstarren, weil was über mich in der Zeitung stand und ich so eine Art lokale Berühmtheit bin. Allerdings machen sich die Männer oft gar nicht die Mühe, mir überhaupt ins Gesicht zu sehen – jedenfalls nicht lange genug, um mich wiederzuerkennen. Ihre Blicke richten sich wie von magischer Kraft angezogen automatisch auf meine Brust.
    Bedeutet das, eine Frau zu sein? Dieses Gefühl permanent angestarrt zu werden, gehört es unwiderruflich dazu? Ich habe jahrelang Frauentitten begafft. Jetzt gaffen die Leute auf meine. Und man kommt sich ausgeliefert und verletzlich vor. Ein ganz und gar unangenehmes Gefühl.
    3. Dezember
    Ich bin irgendwo auf dem Land. Keine Ahnung wo genau. Die letzten Tage waren die merkwürdigsten überhaupt – ich habe nur gefaulenzt und hatte doch die ganze Zeit das Gefühl von Erschöpfung und Überanspannung. Genauso gut könnte ich im Gefängnis sitzen.
    Folgendes ist passiert. Am Tag meiner Entlassung hatten die Reporter von der Sache Wind bekommen und belagerten das Krankenhaus. Alle wollten den St.-Swithin’s-She-Man sehen – so die jüngste Bezeichnung der ›Sun‹ für mich und auf dem Krankenhausvorplatz drängten sich überall Reporter, Fotografen und Kameramänner im Kampf um die besten Plätze. Die Schnappschussspezialisten hatten Leitern aufgestellt, damit sie über die Köpfe der anderen hinweg fotografieren konnten. Ich weiß auch nicht, warum sie nicht gleich Nägel mit Köpfen machten und eine verdammte Tribüne aufstellten.
    Selbstverständlich wollte die ›Mail‹ von dem ganzen Spielchen nichts wissen. Schließlich hatten sie eine Investition zu schützen. Als also der große Augenblick gekommen war, fuhr an einem der Notausgänge auf der Rückseite des Gebäudes ein großer, schwarzer Daimler vor. Einer ihrer Leute drückte mir einen riesigen Mantel und einen Hut mit breiter Krempe in die Hand und bat mich, beides anzuziehen. »Damit niemand etwas zu sehen kriegt, was er nicht sehen soll.«
    Dann drückten sie mich in einen Rollstuhl, der von einem bulligen Wachmann geschoben wurde. Der Kerl war so riesig, dass selbst ein Sumo-Ringer neben ihm wie Lester Piggott ausgesehen hätte. Vier weitere Muskelknaben flankierten den Rollstuhl, und dann machten sich alle fünf im Trab auf den Weg zum Lift, wobei sie Ärzte, Schwestern, Pfleger und Patienten aus dem Weg scheuchten.
    Unten angekommen, ging es einen weiteren Flur entlang, links und rechts sprangen die Leute, dann
rums
durch eine Flügeltür, und im nächsten Moment wurde ich auf die Rückbank des Wagens geschleudert, so wie einer seine Jacke vor einer längeren Autofahrt in den Fond wirft. Die Muskelprotze hopsten dazu, werfen sich auf mich wie Rugbyspieler auf den Ball, und los geht’s.
    Natürlich hat keiner daran gedacht, dass man das Krankenhausgelände nur durch die Haupttore verlassen kann, direkt an der ganzen Pressemeute vorbei, die alle verzweifelt hinter einem Bild oder gar einem persönlichen Statement her sind. Die Journaille klettert über die Kühlerhaube und hämmert gegen die Fenster, wobei Nasen und Notizblöcke fest gegen das Glas gepresst werden. Nicht dass ich davon viel mitbekommen würde. Aber ich höre die Schläge gegen die Karosserie, das Schreien der vielen Reporter und die Rufe der Wachmänner, die den Fahrer antreiben, er solle verdammt noch mal Gas geben, ganz egal, ob da jemand im Weg steht.
    Der Motor heult auf, der Wagen schiebt sich drängelnd vor und flutscht dann wie ein ausgedrückter Pickel durch das Tor. Mit quietschenden Reifen jagen wir davon. Eine halbe Stunde später fahren wir an irgendeinem Landhotel vor, tief in den Home Counties, ich werde aus dem Wagen gezerrt, die Stufen hoch und in die Eingangshalle getragen, eine kurze Fahrt mit dem Lift, und man setzt mich – kaum zu glauben – in der Hochzeitssuite ab.
    Wie das Hotel heißt? Keine Ahnung. In den vier Tagen und Nächten, die ich jetzt hier bin, habe ich nirgendwo eine Speisenkarte, einen Briefkopf oder ein Schild mit dem Namen erblicken können. Ich durfte

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