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Girl

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Titel: Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Thomas
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inzwischen jedenfalls aber es ist einfach nervig, sich beim Pinkeln hinsetzen zu müssen, wenn man das Stehen gewohnt war. Außerdem bin ich bei weitem nicht mehr so kräftig wie früher. Es ist viel schwerer geworden, die Möbel zu verrücken oder ein Marmeladenglas zu öffnen.«
    Jenny Fielden blickte mich fragend an: »Und? Gibt es dafür auch neue Vorteile?«
    »O ja. Mir gefällt mein Aussehen. Alles fühlt sich so an, als wäre es genau an der rechten Stelle. Meine Haut ist sehr viel angenehmer als früher, viel weicher und empfindsamer. Und selbst wenn ich eine Reihe von Sachen nicht mehr wie früher selbst erledigen kann, kann ich immer noch einen Mann darum bitten.«
    »Ach, ja … Männer«, sagte Dr. Fielden. »Erzählen Sie mir, wie Sie sich fühlen, wenn Sie vor ihnen Ihren Körper entblößen oder zur Schau stellen.«
    »Ich habe nicht vor, Stripperin zu werden, wenn Sie das meinen!«
    »Nein! Was empfinden Sie dabei, im ärmellosen Kleid auf die Straße zu gehen? Oder sich im Badeanzug im Schwimmbad oder am Strand zu zeigen?«
    »O ja«, sagte ich. »Das ist verdammt schwierig. Ich spüre schon die Blicke auf der Straße oder in der U-Bahn. Man hat mir sogar schon hinterhergepfiffen, vor allem seit meiner Gesichts Operation, das ist schon anders geworden. Aber abgesehen von ein paarmal Ausgehen mit der Gang, zeige ich meinen Körper eigentlich nur im Fitnessstudio.«
    »Sehen die Männer Sie dort an?«
    »Manchmal.«
    »Und – gefällt es Ihnen?«
    »Manchmal… Wenn es mir gut geht, ist es angenehm, den Leuten zu gefallen. An anderen Tagen ist es weniger gut. Irgendwie ist es ein bisschen so wie mit Partys: Man ist nicht immer dazu aufgelegt. Aber es ist schön, eine Einladung zu bekommen.«
    »Hatten Sie schon eindeutige Angebote von Männern?«
    »Ein- oder zweimal. Wie ich schon sagte, manchmal gehen wir alle zusammen aus … ein paarmal haben Männer vorgeschlagen, allein irgendwo hinzugehen oder sich zu zweit für ein andermal zu verabreden. Ich habe immer abgelehnt.«
    »Warum?«
    »Schüchternheit, Unsicherheit… Ich hatte Angst davor, das Falsche zu tun oder das Falsche zu sagen. Mich in etwas hineinzureiten. Allerdings habe ich kürzlich eine Frau namens Jan kennengelernt. Wir haben, na ja, ich erzähl Ihnen das später mal. Jedenfalls komme ich damit wohl klar.«
    Dr. Fielden beugte sich in ihrem Stuhl vor. »Ich frage mich, wovor Sie Angst haben. Davor, dass Männer Sie begehren könnten? Oder davor – womöglich für Sie noch weitaus verwirrender –, dass
Sie
Männer begehren könnten … und dass Sie dieses Begehren nach wie vor für homosexuell oder ein Tabu halten?
    Ihr Widerstand dagegen, die letzten Spuren der Männlichkeit abzulegen, der sich in Ihrer Weigerung spiegelt, konventionelle Frauenbekleidung zu tragen, scheint mir mit dem Widerstand verbunden zu sein, sich enger mit Männern einzulassen. Das sind zwei Seiten derselben Medaille. Lassen Sie sich auf das eine ein, wird sich meines Erachtens das andere wie von selbst ergeben.«
    »Vielleicht. Ich werde darüber nachdenken.«
    Ich redete noch am gleichen Abend mit Lorraine darüber, während wir in ihrer Wohnung das Abendessen zubereiteten. Sie kam wie gewöhnlich direkt auf den Punkt. »Alles Gerede um den heißen Brei hilft nichts. Du musst die Sache wie eine richtige Frau in die Hand nehmen. Marschier los und kauf dir ein Kleid.«
    Am nächsten Morgen fuhr ich also gleich ins West End, ging in den riesigen Gap-Store auf der Regent Street und kaufte mein erstes Kleid. Es ist ein ganz schlichtes Leinenkleid, wadenlang, mit einem gerafften Oberteil und kurz ausgestellten Ärmeln. Es ist von oben bis unten durchgeknöpft, so dass ich soviel Brust oder Bein zeigen kann, wie ich möchte. Ich habe mir auch ein Paar Espadrilles besorgt und einen kurzen Schal mit einem hübschen Blumenmuster in Blassblau und Blasslila: Violett, nehme ich an.
    Ich rief Lorraine auf der Arbeit an, um ihr die Neuigkeit mitzuteilen.
    »Trägst du die Sachen schon?« fragte sie.
    »Nein, ist alles noch in der Tüte.«
    »Dann rühr dich nicht, bis ich da bin. Ich möchte dein Gesicht sehen, wenn du es anprobierst.«
    Sie musste einen Helikopter gemietet haben, so schnell war sie nach der Arbeit von Knightsbridge in Battersea. Wir wussten, dass Mike erst in einer halben Ewigkeit heimkehren würde. Also schleppten wir sämtliche Tüten ins Wohnzimmer, zusammen mit einer Flasche Champagner, die Lol aus der Lebensmittelabteilung von Harvey Nicks

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