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Girlfriend in a Coma

Girlfriend in a Coma

Titel: Girlfriend in a Coma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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Stellen sind Autos stehengeblieben. Wir kommen an einem Hundeskelett vorbei, gebleicht von der Sonne und dem sauren Regen. »Pinball, er ruhe in Frieden. Der Dobermann der Williams. Er hat versucht, Wendy anzugreifen, aber Hamilton hat ihn noch rechtzeitig erschossen. Er hatte bloß Hunger. Das arme Ding.“
    »Traurig.«
    »Also, Jared, sag mal: Damals, 1979, als du gestorben bist wie war das? Das habe ich mich immer schon gefragt. Ich meine, hattest du zum Ende hin Angst, als du im Krankenhaus im Sterben lagst? Du wirktest so ruhig - sogar noch zum Schluß, als all diese Maschinen Kraftfutter in dich rein- und wieder rauspumpten.«
    »Angst? Ich hatte eine Scheißangst. Ich wollte die Erde nicht verlassen. Ich wollte die Zukunft sehen - das Leben der Menschen, die ich kannte. Ich wollte den Fortschritt sehen Elektroautos, Umweltgesetze, das neue Talking-Heads-Album ... Dann fielen mir die Haare aus, und ich wußte, das war's. Danach habe ich gute Miene zum bösen Spiel gemacht, weil meine Eltern so völlig mit den Nerven fertig waren.« Richard ist in Gedanken versunken. »Denkst du viel über den Tod nach?« frage ich.
    »Eigentlich die ganze Zeit. Wie sollte ich nicht? Ich meine, schau dich doch um.“
    »Und was denkst du?«
    »Ich habe keine Angst vorm Sterben. Ich schätze, ich werde einfach alle anderen wiedertreffen, wo auch immer sie gelandet sind. Aber wenn ich an der High-School du gewesen wäre, hätte ich, glaube ich, dem Tod nicht so ruhig entgegenblicken können. Ich würde heulen und kreischen und um mehr Zeit betteln, selbst auf diesem abgefuckten Wrack von einem Planeten, auf dem wir jetzt leben.“
    »Gefällt es dir hier?“
    »Nein, aber ich bin am Leben.“
    »Ist das genug - am Leben zu sein?“
    »Es ist alles, was ich habe.«
    »Richard, sag mir die Wahrheit - dir bleibt gar nichts anderes übrig, denn ich bin ... ahm ... ein himmlisches Wesen.“
    »Nur zu, Kumpel.«
    »Hast du Karen und mich als Entschuldigung benutzt, um dein eigenes Leben nicht weiterführen zu müssen? Hast du dich vor dem Leben gedrückt?«
    Richard sieht betroffen aus, aber dann macht er eine wegwerfende »Ach-was-warum-nicht«-Geste. »Klar. Ich habe mich ziemlich abgekapselt, Jared. Aber ich war ein braver Bürger. Ich habe jeden Dienstagabend den Müll rausgestellt. Ich bin zur Wahl gegangen. Ich hatte einen Job.«
    »Hast du dich innerlich irgendwie leer gefühlt?“
    »Ein bißchen. Das geb' ich zu. Macht meine Antwort dich glücklich?«
    »He Mann. Ich muß dich das fragen. Ich will wissen, wie es dir geht.«
    »Aber ich habe aufgehört, mich abzukapseln, als Karen aufgewacht ist.“
    »Na gut.«
    »Müssen wir, darüber reden, Jared? Laß uns über unser altes Viertel reden. Menschen. Freunde.«
    »Ich habe heute all die anderen besucht. Du bist der letzte. Das Beste habe ich mir bis zum Schluß aufgespart, meinen ältesten Freund.«
    »Ich fühle mich geehrt, du Casanova.«
    Wir gehen weiter, biegen ab zum St. James Place und nähern uns unserem alten Haus, einem etwas verfallenen, babyblauen halbgeschossigen Gebäude im Ranch-Stil. Auf der rechten Seite sieht man verkohlte Stellen, die das Nachbarhaus hinterlassen hat, als es abbrannte. »Der Brand ist drei Wochen her«, erzählt mir Richard. »Blitzschlag.« Wir stehen am Ende der Einfahrt. »Hier ist dein Haus. Willst du reingehen, Jared?“
    »Können wir? Ich wollte das immer schon tun, aber nur zusammen mit jemand anders. Allein wäre ich zu nervös.“
    »Du? Ein Geist? Dich machen Leichen nervös?«       v »Ja. In diesem einen Punkt bin ich ein Weichei.“
    »Du wirst dich an sie gewöhnen. Glaub mir. Hamilton nennt sie Matscher.«
    Der alte Rasen vor unserem Haus ist kniehoch, all die Ziersträucher sind braun geworden und vertrocknet. Der Efeu hat überlebt, er ist bis über die Haustür gerankt, die unverschlossen ist. Als Richard sie zu öffnen versucht, geht sie lautlos auf. Ein Strom warmer Luft dringt heraus sowie ein fauliger, ammoniakartiger Gestank, woraufhin Richard mich ansieht und eine Grimasse zieht: »Willst du da immer noch rein, Jared?“
    »Bitte.«
    Drinnen war die Zeit stehengeblieben. »O Mann, Richard. Es sieht noch fast genauso aus wie am letzten Tag, an dem ich hier war - mein letzter Tagesurlaub von der Palliativstation. Ich durfte kein Fleisch essen, aber Dad hat mir den Truthahn in erbsengroße Stücke geschnitten und gesagt: Scheiß drauf. Ich habe mein Essen wieder ausgekotzt und dann noch ein bißchen Blut, und dann

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