Girlfriend in a Coma
helfen.« Sie saß zusammengesunken, aber zart wie ein Vogel auf dem Sofa. Sie bedeutete mir, den Mund zu halten, verschränkte die Arme und schaute zu Boden.
»Was?« fragte ich bemüht leichthin Schweigen.*»Es 1 hat wieder angefangen, Richard.“
»Was denn?«
»Du weißt schon. Ich weiß, daß du es weißt. Stoff Junk .
»Wie lange geht das schon?«
»Ein paar Monate? Noch kommen wir damit klar. Richtig schlimm ist es noch nicht. Aber es wird immer heftiger. Wie üblich.« Sie stand am Fenster. »Bist du -?«
»Schhht!« Sie hauchte einen Kohlendioxidschemen auf die Scheibe und fuhr fort: »Ich bin da schon mal wieder rausgekommen, Richard, das wissen wir alle. Vielleicht schaffe ich das wieder. Schließlich bin ich noch nicht völlig abgehalftert.“
»Na gut. Könnt ihr denn überhaupt arbeiten, wenn ihr high seid? Ich meine, haut euch das nicht total um?“
» Au contraire, es gibt uns erst den richtigen Drive.“
»Drive?«
»Du siehst traurig aus, Richard. Sei nicht traurig. Tust du mir einen Gefallen?« Pause. »Klar.«
»Wir haben dich nie verurteilt. Verurteile du uns auch nicht. Es macht uns Spaß, dich zu mögen. So sollte es auch bleiben.“
»Es könnte so bleiben.“
» Psst.«
Wir unterhielten uns ein bißchen und gingen dann in die Küche, wo sie eine Orangenlimonade trank. Wir redeten weiter, doch die meiste Zeit drehte sich das Gespräch im Kreis. Dann leerte Pam ihr Glas, hüpfte durch den Regen zu ihrem Wagen und lieferte sich auf dem Rückweg zu Hamilton ein halbherziges Autorennen mit unsichtbaren Vampiren.
Zu jener Zeit machte Megan gerade die Dramen des Teenageralters durch. 1996, mit sechzehn Jahren, war sie noch in vielerlei Hinsicht ein kleines Mädchen. Sie las ihre Fantasy-Bücher, und wenn sie über Magie redete, begannen ihre Augen zu leuchten. Ich hielt sie für ein kluges, cooles Kind, das in der Schule bessere Noten bekommen könnte, wenn es nur wollte. Sie kleidete sich etwas absonderlich, aber was machte das schon? Sie färbte sich die Haare pechschwarz (mit mausbraunem Ansatz) und benutzte ausschließlich schwarzen Nagellack. Ihre Haut war leichenblaß. Sie hatte sich die Ohren von oben bis unten, die Nase und weiß der Himmel was sonst noch alles piercen lassen. Sie sperrte sich wochenlang in ihrem Zimmer ein, wo aus einem Gettoblaster ununterbrochen immer wieder dieselben Cure-Platten dröhnten. Es sah aus wie eine ganz typische Teenager-Rebellion.
Das Verhältnis zwischen Megan und Lois war außerordentlich gespannt. Für Lois waren Megans Freunde Versager und verantwortlich für ihre Aufsässigkeit. Und Megan verarschte Lois in einer Tour, zum Beispiel führte sie einmal, als sie wußte, daß Lois am anderen Apparat zuhörte, mit ihrer Freundin Jenny Tyrell ein fingiertes Telefongespräch. »Was glaubst du, wie viele Kokshalme man aus einem gelben McDonald's-Trinkhalm machen kann, Jenn?“
»Keine Ahnung. Drei?«
»Nein. Ich glaube eher zweieinhalb. Ich habe hier in meinem Zimmer einen ganzen Haufen davon liegen und bin gerade dabei, welche zu schneiden - ich seh' schon, was die beste Länge ist.« In diesem Moment stürmte Lois in Megans Zimmer, nur um miterleben zu müssen, wie Megan sich schlapplachte. Lois polterte los: »Du hältst dich wohl für sehr schlau, was? Wer gibt dir denn das Geld, damit du dir all deine Sachen kaufen kannst?«
»Ich selbst. Ich verscheuer' deine häßlichen kleinen Eulenfiguren eine nach dem anderen an Sammler, Grandma.« Ein schriller Schrei.
Wenn ein Teenager erst mal beschlossen hat, unartig zu sein, läßt sich diese Entwicklung kaum noch stoppen. Megans Trotzphase wurde immer schlimmer. Außerdem machte mir das Thema Drogen Angst. Ich glaube zwar nicht, daß, sie soviel nahm, wie Lois behauptete, aber beunruhigend war es allemal. Die Drogen hatten sich seit meiner Jugend sehr verändert. Pot bedeutete früher ein bißchen Gekicher und Heißhunger, man war ein paar Stunden high und bekam dann Kopfschmerzen. Moderne Drogen - bis dahin unbekannte LSD-Moleküle, Dimethyltryptamin, Crack - waren die schlimmsten Alpträume der Eltern in handlicher und einfach zu beschaffender Form. Anfang 1997 gab es eine kleine Krise. Megan und Lois hatten eine Wahnsinnsbrüllerei wegen einer schwarzen Baumwollsocke, die in Lois' Weißwäsche geraten war. Megan verschwand. In jener Nacht wurde sie von einem Jogger bewußtlos auf einer Bank im Burnside Park gefunden. Der Polizist sagte, sie habe schwer getrunken. »Neben ihr lag eine
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