Girlfriend in a Coma
leere Rumflasche. Wir haben ihre Handtasche nach einer Adresse durchsucht, und dabei haben wir eine große Menge Marihuana und ein paar Psilocybin-Pilze gefunden.« Megan kam mit einer polizeilichen Verwarnung davon. Als die Bullen weg waren, sagte Lois: »Sie kann hier nicht bleiben. Mir reicht's. Ich hab' sie sehr lieb, aber ich kann nichts mehr für sie tun.«
Ich begriff. Am nächsten Tag schlug ich der verkaterten und schwer angeschlagenen Megan vor, in mein Gästezimmer zu ziehen, und sie nahm das Angebot widerwillig an. George, Lois und der Hund waren den Tag über nicht da, und so war es ruhig im Haus. Wir schnappten uns ein paar Poster und ein bißchen Krimskrams, damit sie ihrem neuen Zimmer ihren persönlichen Stempel aufdrücken konnte. Sie verbrachte ohnehin die meiste Zeit bei mir. Sie war an der Sentinel HighSchool so oft aus dem Unterricht geflogen, daß es für mich an Wochentagen die Regel war, sie um mich zu haben. »Was ist es diesmal?«
»Ich hab' meinem Englischlehrer gesagt, er kann mich mal am Arsch lecken.«
Oder:
»Was ist es diesmal?
»Ich hab' zur Sportstunde ein Totenhemd aus schwarzer Spitze angezogen.«
»Das ist alles?«
»Als ich drinnen war, hab' ich mir eine Zigarette angezündet und Rauchkringel geblasen.«
Wir schickten Megan auf eine alternative Schule in North Vancouver; sie schien halbwegs zurechtzukommen. Wir waren froh, daß sie Fortschritte machte, bis wir den wahren Grund herausfanden, weshalb sie weiter zur Schule ging: Von dort war es nur ein kurzer Spaziergang zu ihrem reizenden neuen Freund, Skitter, den ich zufällig kennenlernte, als ich mal zur Schule mußte, um ein paar Dokumente abzuliefern. Er und Megan wollten gerade zum Mittagessen (Drogen) irgendwo drüben auf dem Lonsdale fahren. »Sie müssen, äh, ihr Alter sein. Hm?« Riesige Koteletten. Glasige Augen, die mich aus einem aufgemotzten 71er Satellite-Sebring heraus ansahen. Das war ja ein toller Freund. »Ich bin Megans Vater, ja.« Himmel, kam ich mir alt vor. »Und Sie sind ... ?“
»Skitter, Mann.«
»Skitter«, brüllte Megan, »fahr einfach los, okay?« Sie saß auf dem Beifahrersitz und vermied es hartnäckig, mich anzusehen. »Gib Gas. «
»Hey Mann - wir müssen los.« Und damit furzte Skitters Wagen vom Parkplatz.
Daß ihre Tochter sich in jemanden wie Skitter vergucken könnte, ist der Alptraum jeder Eltern. Er wohnte im finstersten Lynn Valley in einer moosbedachten Müslischachtel von 1963, die auf einem ungemähten, von Benzin-Brandlöchern und herumliegenden Autowrackteilen übersäten Rasen stand. Ein auseinandergebauter schwarzer Trans-Am stand aufgebockt im Carport. Fast konnte man die Nachbarn vor Scham über Skitters Haus stöhnen hören. Ein paarmal rief Megan mich von seinem Handy aus an: »Du verstehst das nicht, Dad. Skitter ist anders.«
14
In der Zukunft wird alles Geld kosten
31. Oktober 1997 - der Halloween-Freitag war ein Tag voller bedeutungsschwerer Vorzeichen und zahlloser Zufälle; doch eine Anleitung dafür, wie der tiefere Sinn des Ganzen zu begreifen sei, blieb aus. Es war ein Tag, an dem die Welt zu einer einzigen riesigen Produktionsstätte für Omen und glückliche Fügungen wurde. Später sollte ich erkennen, daß Zufälle die durchgeplantesten Dinge der Welt sind. Später sollte ich erkennen, daß jeder einzelne Moment ein Zufall ist. Mein Tag der Wunder begann gleich nachdem ich aus einem Sextraum, wie ich ihn als Teenager zu haben pflegte, erwacht war und mein Lieblingssong, »Bizarre Love Triangle«, im Radiowecker lief.
Ich war gerade beim Rasieren und schaute aus dem Badezimmerfenster, als eine Schwalbe direkt auf mich zuflog, gegen die Scheibe prallte und scheinbar tot zu Boden fiel. Sekundenbruchteile bevor die Schildpattkatze des Nachbarn zum Sprung ansetzte, kam sie wieder zu Bewußtsein. Minuten später sah ich, daß eine Spinne ihr Netz über meiner Spüle gesponnen hatte. Ich fütterte sie mit einem Krümel Hackfleisch, und sie klaubte das Fleisch mit ihren kranartigen Beinen auf. Ich rief Tina an, um den aktuellen Arbeitsplan mit ihr zu besprechen, aber bevor ihr Telefon klingelte, war sie schon dran - ohne daß es bei mir geklingelt hatte (»Ist das nicht komisch ...?«)
Ich arbeitete damals gerade bei einem TV-Thriller mit, den Tina zu der Zeit drehte - über ein High-School-Footballteam aus Iowa, dessen Hirne zu einem kollektiven Bewußtsein gleichgeschaltet sind und es so zum verlängerten Arm der Mächte des Bösen werden läßt.
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