Girlfriend in a Coma
deinen Teint und deine Frisur.«
»Dann bin ich geliefert.«
»Blödsinn. Du hast einen guten Teint und einen schönen Knochenbau, und die Leute werden sich vermutlich betrogen fühlen; wenn du nicht wenigstens ein bißchen merkwürdig aussiehst. Welchen Lippenstift willst du?“
»Muß das wirklich sein, Pam?«
»Was, Make-up? Aber natürlich. Selbst die fittesten Leute sehen im Fernsehen ungeschminkt wie Leichen aus. Je weniger sie auf deinen Teint achten, desto besser werden sie hören, was du sagst.«
Das leuchtet Karen ein. Sie beruhigt sich wieder, läßt Pam ihre Arbeit tun und beobachtet aus dem Fenster zur Straße, wie eine Nachrichtensprecherin, die eine überraschende Ähnlichkeit mit Lois aufweist, sich die Haare bürsten läßt und irgendwelchen Lakaien Notizen diktiert. Lois steht auf dem Rasen und schaut hingerissen zu.
Karen muß an ihr Gespräch mit Richard denken, der nicht begreifen konnte, wieso sie, die es sogar zu ihren besten Zeiten haßte, fotografiert zu werden, sich derart behelligen läßt. Na ja, die zwanzig Jahre, die ich nicht bei Megan war, wird es nicht wieder gutmachen, aber immerhin kann ich so etwas Konkretes tun, um sie zu unterstützen. Dadurch kann ich mich als Mutter fühlen. Und außerdem möchte Megan gern interviewt werden.
Ein paar Minuten später sagt Lois, ganz offensichtlich völlig aus dem Häuschen: »Karen, das ist Gloria.« Gloria kommt in einem roten Kostüm und blitzendem Gebiß, so regelmäßig wie Babymais, herein. Ihre Zähne sind so perfekt, daß sie aussieht, als hätte sie drei Reihen und nicht zwei. Ein weißes Make-up-Lätzchen aus Papier steckt in ihrem Kragen. »Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen, Karen. Fühlen Sie sich entspannt?« Die Hand der Frau bricht Karen fast die Finger. Bevor sie antworten kann, sagt Gloria: »Na wunderer/ Es ist wahrscheinlich am besten, wenn wir jetzt noch nicht allzuviel miteinander reden. Für die Sendung ist es besser, wenn ich Sie im selben Moment wie die Zuschauer kennenlerne. Paula sagt, sie hat ein sehr nettes Vorgespräch mit Ihnen geführt.« Ein Lächeln. Glorias Augen: zwinker zwinker zwinker. Eine Assistentin fragt, ob Paula angerufen hat. Ja. Paula hat angerufen. Gloria ist schon wieder aus dem Zimmer, aber ihre Stimme schallt noch herüber. »Ach, sind diese Eulen entzückend!« Karen kann geradezu hören, wie Lois vor Freude errötet.
Techniker, die beim besten Willen nicht noch gelangweilter dreinschauen könnten, stöpseln Kabel ein, hantieren mit Beleuchtungsmessern, stellen Reflektoren auf und schließen eine Satellitenleitung von einem der drei Lkws an. Karen kommt sich vor wie in einem Film, in dem Wissenschaftler in einem Vorstadthaus außerirdische Lebensformen entdecken. Ihr Hörvermögen läßt nach, plötzlich ist sie taub. Sie dreht den Kopf und sieht Richard und Linus, die am Eßzimmertisch mit Megan ins Gespräch vertieft sind. Wendy steht auf der Terrasse hinterm Haus und spielt mit einer Nachbarskatze. George befindet sich außer Sichtweite im vorderen Flur. Und plötzlich versinkt sie in einem Schwall weißen Lichts. Ihre Augenlider schließen sich, ihre Arme zittern, und Schweiß tritt auf ihr Gesicht. »Um Himmels willen!« sagt Pam. Sie, Richard und Linus kommen herüber; der Schweiß läuft in Strömen über Karens Gesicht. »Karen.« Richard tippt ihr sanft auf die Schulter. »Karen!« Jetzt weiß sie wieder, wo sie damals gewesen ist. Sie war oben am Sternenhimmel, und dann ist sie zur Erde herabgestiegen, die schimmernd und blau war, in die Wolkenwirbel über dem Atlantik ist sie geflogen, zusammen mit den Vögeln ist sie im Sturzflug hinabgestoßen und hat sich dabei gefühlt wie eine leuchtende Farbe. Und dann wurde sie wieder nach oben gezerrt - von einer Hand, die sie hinter ihren Schultern gepackt hielt, wo ihre Flügel hätten sein sollen. Sie wurde zu den Sternen emporgezogen. Oben drehte sie sich um und sah den Mond, und dann setzte die Hand sie dort ab - in einem Krater. Sie war zwar warm angezogen, aber schließlich war sie im Weltraum, warum sollte das eine Rolle spielen?
»Ich weiß es wieder«, sagt Karen. »Ja, jetzt weiß ich es wieder.« In ihrer Erinnerung geht sie in einen Krater und tritt in den Staub, der hochfliegt und mit einem Sechstel der irdischen Schwerkraft wieder herabsinkt. »Und es wird passieren. Es wird hier passieren.«
Sie blinzelt und kann wieder hören.
»Karen, du hast mir eine Heidenangst eingejagt«, sagt Pam. »Was war denn los? Ist
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