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Girlfriend in a Coma

Girlfriend in a Coma

Titel: Girlfriend in a Coma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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und legte eine Familienpackung Hackfleisch in Bodenablage des Wagens. »Das reicht - ich hau' jetzt ab. Besser, du würdest auch gehen.«
    »Aber Elaine - woher wollen wir denn wissen, daß das nicht nur hier bei uns passiert?“
    »Lois, hör mal die Sirenen.«
    Lois hatte das seltsame Gefühl, wieder in den 60ern zu sein, als die Lebensmittelgeschäfte noch Wettbewerbe abhielten, bei denen der Gewinner alles behalten durfte, was er innerhalb von sechzig Sekunden in seinen Wagen stopfen konnte. Ausgerechnet diesen Preis zu gewinnen, hatte sie sich immer gewünscht.
    Viele Kunden taten es Elaine nach; Lois stand da und sah zu, wie ihre Welt aus den Fugen geriet. Die Käufer plünderten die Regale so schnell, wie Dosenpyramiden einstürzen konnten. Ein Schrei ertönte, ein lauter Ruf, das Geräusch umgekippter Einkaufswagen und zersplitternder Gläser. Und dann fiel die Hauptbeleuchtung aus, und die Notbeleuchtung ging an. Lois sah Silhouetten, die sich wie Visionen von Seelen im Jenseits voller Panik drüben beim Haupteingang drängten, wo träges Tageslicht in das Gebäude sickerte. Ein weiterer Körper sank zu Boden. Das Licht ging wieder an, und es waren fast keine Kunden mehr im Supermarkt; ein paar lagen schlafend auf dem Boden. Sie sehen recht friedlich aus, dachte Lois. Sie bückte sich, um ihnen ins Gesicht zu sehen, und wünschte ihnen eine gute Nacht. Sie verließ das Geschäft durch die Vordertür, ohne daß jemand sie aufhielt oder vorwärts schubste. Schrille Alarmanlagen heulten weiter in irgendwelchen Ecken. Als sie sich umdrehte, stellte Lois fest, daß der Laden so gut wie ausgestorben war. Das Licht fiel wieder aus, und Lois ging in aller Ruhe um den in blaßorangefarbener Notfallbeleuchtung gebadeten Supermarkt herum. In der Nähe lag Elaine schlafend auf dem Boden, eine Einkaufswagenladung Rindfleisch ihr Grabstein.
    Der Super-Valu war ihr Reich. Heute ist der achtundzwanzigste - der Tag, für den ihre Tochter absurderweise eine Art Ende vorausgesagt hatte. Karen. Wer ist dieses Kind, das ich geboren habe? Womit habe ich sie verdient? Was habe ich getan, daß es so weit mit uns gekommen ist, zu diesem Zusammenbruch der Welt? Lois kramte in ihren Erinnerungen an Karens Jugend, doch ein spezielles Vorkommnis, aus dem sie schließen könnte, Karen sei etwas Besonderes - für eine seltsame Bestimmung auserkoren -, fand sie nicht. Lois dachte an Karen und die anderen Kinder, die so außer Rand und Band im Wald aufgewachsen waren. Ihr fiel ein, was der Grundstücksmakler gesagt hatte, als sie 1966 das Haus in der Rabbit Lane kauften. George hatte ihn gefragt, ob es irgendwelche sozialen Einrichtungen gebe, in die die Kinder gehen konnten. Der Makler lachte und deutete auf den Wald: »Mehr als das brauchen Sie nicht.« Für Lois stand unzweifelhaft fest, daß die Kinder dort unanständige, schmutzige Sachen taten. Drogen. Sex. Alkohol.
    Sie gähnt und blickt hinab auf die Gefrierfleischtruhe. Wie kühl und tröstlich. Ihre Kopfoberfläche kribbelt, und Fotos von Elizabeth Taylor nach ihrer Gehirnoperation mit einer Glatze voller Narben fallen ihr ein. Ich glaube, ich habe genug von dieser Welt. Mehr kann ich nicht ertragen. Ich bin am Ende. Ich bin müde. Ich will nur noch nach Hause. Sie klettert auf das Fleisch. Sie atmet tief; das in Plastik eingewickelte Fleisch kühl an ihren Wangen. Sie schließt die Augen und geht heim.

    Linus und Pam haben bei Außenaufnahmen ein paar Meilen den Berg hinauf zu tun, in einem riesigen, verputzten Bunker, der aussieht wie eine Kreuzung zwischen einem Ärztezentrum und der Behausung eines südamerikanischen Drogenbarons. Die Häuser dieses Viertels wurden Anfang der 90er gebaut und allein mit der Absicht entworfen, die Wohnfläche zu maximieren und die Außenwelt bis auf eine Postkartenansicht der Stadt, die ein Blick durch die Vorderfenster bietet, auszusperren. Dieses Panorama erlegte dem Viertel Baumlosigkeit auf. Selbst bei schönem Wetter schauderte es einen auf der Fahrt durch die menschenleeren, mit nackten weißen Schachteln gesäumten Straßen; an einem trüben, bluttriefenden Tag ist sie ein absoluter Horror. An diesem Tag wird ein Polizeifilm gedreht, in dem es um Waffen und Verrat geht und so gut wie alle Schauspieler sich am Ende in, wie Linus es nennt, »Rasensprenger« verwandeln. Die Dreharbeiten gehen nur langsam voran, und der Star, verkatert von einem Weihnachtsbesäufnis, vergißt ständig seinen Text, rennt gegen Wände, improvisiert

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