Girlfriend in a Coma
Jet bei einer Flugschau - Körper, die aussehen wie die Puppen eines Bauchredners, werden in den Himmel gekotzt wie in einem Zeichentrick- oder Actionfilm.
Die Autos werden langsamer und bleiben dann stehen, um nie wieder loszufahren. Fahren jetzt alle nach Hause? Ist es zu Hause sicher? Oder vielleicht ist es zu Hause nur vertraut. Was erwarten sie am anderen Ende, das ihnen ein Gefühl der Sicherheit verleihen soll? Was wird ihnen Kraft geben? Wendy geht zur Tankstelle hinüber, unterhalb derer verkohlte Leiber auf der Grasböschung liegen: alle sechs mausetot, keine Überlebenden. Dort, wo früher die Zapfanlage stand, liegen noch die Trümmer eines VW-Busses zwischen Patronenhülsen von Schrotflinten und Jagdgewehren. Was soll sie nur tun? Sie ist so müde, daß sie kaum denken kann, geschweige denn handeln.
Im Gras unterhalb der Tankstelle findet Wendy eine Vierundzwanziger-Packung M&Ms und beschließt, weiterzulaufen; hier gibt es niemanden mehr zu retten. Und was hat sie schon für Alternativen? Abstruserweise scheint nur die Elektrizität noch intakt zu sein: Straßenlaternen und Schaufenster beleuchten die geplünderte Westview Mall. Schlafende und tote Körper liegen wie Crashtest-Dummies überall auf dem Asphalt, bestreut mit Scherben von Schnapsflaschen und Schaufensterscheiben. Wie viele Menschen sind tot? Wie viele Menschen werden noch sterben? Warum geschieht das alles? Bin ich infiziert? Geht es Linus gut? Wo sind all die anderen gewesen, und werden sie sicher nach Hause kommen?
Wendy schaut auf den Trans-Canada Highway, wo viele Leute, die wie sie ohne Auto gestrandet sind, wie ferngesteuert am Rande der Autobahn entlangwandern und im grellen Scheinwerferlicht der Wagen, die hinter ihnen liegengeblieben sind, vorwärtsschlurfen. Ein Mann mittleren Alters schläft in einem gelben Regenmantel unter der Autobahnbrücke. Diverse Autos sind bei einer Massenkarambolage von der Mosquito Creek Bridge in die Schlucht gestürzt. Wendy beschließt, oben weiterzulaufen, durch ruhige Vorstadtstraßen, um die kleine Einkaufszone am Edgemont Village herum, wo das Militär einen Super-Valu bewacht. Sogar dort entdeckt sie einen toten Soldaten, der bei Starbucks in einem Schaufenster schläft.
In einer Nebenstraße findet sie ein Zehngang-Rad, das aus unersichtlichem Grund auf der Seite liegt. Sie schaut sich um - keiner in der Nähe -, dann nimmt sie es und radelt auf den Damm zu, überquert ihn und fährt dann durch den dunklen Wald, den sie wie ihre Westentasche kennt, nach Hause.
24
Die Vergangenheit ist eine schlechte Idee
Megan hängt über einem Blumenbeet und kotzt den Aal aus, der sich in ihrem Magen windet; ihre Schwangerschaft zu vertuschen wird immer schwieriger. Auf der Erde des Blumenbeets sieht sie Bierflaschendeckel und Zigarettenkippen. Bäh. Skitter ist alles andere als ein Traumnachbar: versiffte, ölige Autowracks rosten in der Garage; der Rasen ist ein verunkrauteter Schrottplatz.
Sie spürt, wie ihr Magen kichert, als sei der Aal jetzt weg und statt dessen flattere ein kleiner Vogel in ihr - dieses neue Stück Leben. Sie fragt sich, was für eine Persönlichkeit ihr Kind haben wird. Wird es durch Skitters Gene zum Versagertum verdammt sein? Megan hat Skitter nichts von ihrer Schwangerschaft gesagt, und sie glaubt auch nicht, daß sie das noch tun wird. Wenn sie es ihm erst einmal erzählt hat, wird das Kind nicht mehr ihr allein gehören; sie wird es teilen müssen. Das will sie nicht. Letzte Woche, als die Amerikaner da waren, um diese Sendung zu drehen, war sie versucht, ihre Schwangerschaft zu erwähnen, aber sie hat es sich doch noch anders überlegt.
Die Fernsehsendung: Megan kann kaum fassen, wie beschissen sie darin aussah, aber trotzdem findet sie sie eher gut als schlecht. Sie ist froh, daß sie und Karen eher wie Freundinnen rüberkamen denn wie Mutter und Tochter. Und außerdem freut sie sich, daß Lois nur ganz wenig Sendezeit bekommen hat. Ha!
Als sie durch Skitters Kellertür ins Haus geht, erhascht sie einen Blick in ein an der Wand lehnendes Spiegelbruchstück. Gestern abend wirkte ihr Kopf dick, aber schließlich sah Karen, die in Wirklichkeit so schrecklich ausgezehrt ist, beinahe modisch schlank aus. Also stimmt die Binsenweisheit, daß man durch die Kamera zehn Pfund zulegt. Eher zwanzig. Wieder in der Küche, findet Megan einen sauberen Becher, macht sich einen Instant-Kaffee und schaltet einen lokalen Rocksender ein. In dem Moment hört sie im Hintergrund
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