Girlfriend in a Coma
und ihre Wangen, gepeitscht von feuchten Salmonberry-Zweigen, brennen rot. Sie folgen gewundenen, unvertrauten Trampelpfaden, bis sie ein gerades Wegstück erreichen, das Wendy wiedererkennt. Jared bleibt stehen. Um anzudeuten, daß er jetzt geht, zieht er die Augenbrauen genauso hoch, wie er es vor zwei Jahrzehnten getan hat.
»Du gehst? Nein. Jared - nein. Geh nicht. Bitte bleib bei mir. Sprich mit mir. Du hast mir so gefehlt. Du warst alles, was ich je wollte. Ohne dich ist die Welt nur halb.« Doch Jared entzieht ihr sanft seine Hand und tritt drei Schritte zurück. Er lächelt und verschmilzt mit dem Boden wie ein Pflock, der in ein Loch getrieben wird. Wendy bleibt zurück. Sie nimmt sich von der Stelle, wo Jareds Kopf vom Weg verschwunden ist, einen kleinen Stein und drückt ihn so heftig, daß ihre Handfläche anfängt zu bluten. Jahrelang hat Wendy geglaubt, daß die Welt eine runde Sache sei - daß sie mit dem, wofür sie gearbeitet und was das Leben ihr gegeben hat, auskommen könnte. Jetzt weiß sie, daß dem nie so war. Sie erreicht die dunkle Straße und sieht ihr eigenes unbeleuchtetes Haus, doch sie beschließt, nicht dorthin zu gehen. Bei Karen, ein Stück die Straße herunter, bemerkt sie Kerzenschein, und so schlägt sie diese Richtung ein. Drinnen schaut sie in die vertrauten, von den Flammen erleuchteten Gesichter. Sie sagt zu ihnen: »Ich gehe schlafen. Ich bin nicht müde - nicht auf die Art müde - ich bin nur erschöpft.« Sie sackt als warmes Häufchen auf der Couch in sich zusammen. Linus legt eine Mohairdecke über sie, und Wendy zuckt zurück, als er sie berührt.
25
2000 ist doof
»Die Queen ist tot.«
»Weiter«, sagt Richard.
Karen fährt fort: »Die beiden Prinzen tragen pechschwarze Sonnenbrillen. Der Leichnam der Queen wird in ein Grab gesenkt. Nur ein paar Menschen schauen durch den Palastzaun. Es ist dunkel draußen - und es regnet. Das Grab ist ganz matschig.« Schweigen.
»Karen, mußt du wirklich diese Papiertüte über dem Kopf tragen?«
»Es ist nicht bloß eine Papiertüte, Richard, es sind drei. Wenn auch nur ein Lichtstrahl auf mein Gesicht trifft, kann ich meine Visionen nicht mehr richtig erkennen. Nicht mal bei Kerzenschein. Das ist eine unbestrittene paranormale Tatsache.“
»Du siehst damit total lächerlich aus.«
»Ja, eine echte Dreifach-Baglady, Richard.«
»Richard«, sagt Hamilton, »könntest du bitte den Mund halten? Laß Karen doch mal zu Wort kommen.«
»Hamilton, hör mal eine Sekunde auf, das Alphatier zu spielen, und laß Karen in Ruhe.«
»He, Wendy, entschuldige, daß ich mich so sehr für eine Situation interessiere, die definitiv beschissen ist. Ich dachte, du schläfst.«
»Diese Situation werde ich nicht verschlafen, egal, wie müde ich bin.«
»Er hat recht, Wen«, sagt Pam, »die Lage, in der wir uns befinden, ist gar nicht gut.«
»Seid mal alle ruhig. Wenn ihr wollt, daß ich euch erzähle, was ich sehen kann, dann seid still. Könntet ihr vielleicht zwei Minuten lang mal alle euer Ego auf Pause schalten?« Karen versucht, ihren Freunden, die ihre Angst hinter Beerdigungsgekicher verstecken - einem Schutzmantel aus Ironie -, den Zusammenbruch der Welt zu beschreiben. »Okay. Mal sehen - Pam, hab' ich dich gerade gähnen hören?« Pam zuckt zusammen: »Gähnen? Nein! Müde? Überhaupt nicht!« Die Freunde haben eine Todesangst vorm Gähnen, vor körperlichem Wohlbefinden und vor allem, wodurch sie zur Ruhe kommen oder schläfrig werden könnten. Ihr Kaffee ist stark.
»Karen«, sagt Hamilton, »hast du vielleicht eine Art Liste darüber, wer es schafft und wer nicht?«
»Du machst dich über mich lustig, Hamilton. Ich habe keine Liste. Und ich weiß auch nicht, woher meine Informationen stammen.«
»Hmmm. Ich glaube, Frau Leber braucht einen Drink.“
»Können wir jetzt weitermachen?« fragt Richard. »Richard, nimm mir bitte die Papiertüten vom Kopf. Ich weiß nicht, ob jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Trance ist. Ihr müßt aufhören zu glauben, ich hätte so eine riesige Anzeigetafel in meinem Kopf, die ständig Informationen ausspuckt, ohne daß ich sie euch weitererzähle. So ist es nicht. Wenn ich etwas weiß, sage ich es euch auch.« In den Räumen wird es still. »Ich brauche eine Pause. Linus, kannst du bitte den Generator wieder anstellen? Laßt uns einen Radiosender suchen und dieses CNN-Video noch mal gucken.«
Linus aktiviert den Honda-Generator, und in Karens Haus an der Rabbit Lane geht das
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