Giselles Geheimnis
küsste? Indem er sie noch einmal an sich zog und ihre Brust umfasste, die Spitze reizte, bis sie vor Sehnsucht brannte …?
Mit hochroten Wangen bemühte Giselle sich verzweifelt, die gefährlichen Gedanken zu unterdrücken und das sinnliche Pochen in ihrem Leib zu ignorieren.
Nach drei Tassen Kaffee war alles vorbei, und Giselle und ihre neue Garderobe – zu der zu ihrem Entsetzen Leggings, Pumps mit hohen Absätzen und, was sie am meisten schockierte, Dessous aus Satin und Spitze gehörten – wurden in das bestellte Taxi geladen. Die Kosten für das Taxi wurden übrigens ebenfalls mit auf die Rechnung gesetzt, die dann ihr neuer Arbeitgeber begleichen würde.
Als Giselle sich vorstellte, wie man in der Buchhaltungsabteilung die Rechnung für ihre Unterwäsche einbuchte, begannen ihre Wangen erneut zu brennen. Die Beraterin hatte darauf bestanden, dass sie die Dessous brauchen würde, aber wozu brauchte jemand wie sie etwas so … so Sinnliches und Verführerisches? Und dann waren da auch noch die beiden Abendkleider, die trotz ihres Protests eingepackt worden waren. Sie würde doch nie Gelegenheit haben, solche Kleider zu tragen …
Offiziell lag ihre Wohnung in Notting Hill – so gerade noch. Sie hatte die Wohnung von dem Geld gekauft, das ihre Eltern in einem Trustfond für sie angelegt hatten, der ihr an ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag ausgezahlt worden war. Im Parterre eines alten viktorianischen Hauses gelegen, gehörte zu dem Apartment, bestehend aus einem relativ großen Wohnraum, zwei Schlafzimmern mit jeweils eigenem Bad, auch ein kleiner Garten hinter dem Haus, auf den der Küchen-/Esszimmerbereich hinausblickte. Der Vorbesitzer hatte die Wohnung aufwendig renovieren lassen, sodass Giselle nicht mehr hatte tun müssen, als ein paar Möbel zu kaufen und einzuziehen.
Ihr war klar, dass die meisten Frauen ihre Wohnung wohl als spärlich eingerichtet bezeichnet hätten. Zudem fehlte der feminine Touch, aber das war ihr gleich. Eine Einrichtung, die weibliche Wärme oder Sinnlichkeit widerspiegelte, war nicht das Richtige für sie. Es könnte nämlich Sehnsüchte und Bedürfnisse wecken, die sie sich nicht erlauben durfte. Sie zog ihr Zuhause so vor, wie es war, selbst wenn es auf andere karg und unpersönlich wirken mochte.
Weder gerahmte Fotos noch Dekorationen standen auf den dunklen Möbeln, Farbtupfer in Form von Teppichen oder Läufern gab es nicht auf den Holzdielen des Bodens, das Ledersofa bedeckte kein Überwurf, auch lagen keine Kissen darauf. Die Schlafzimmer wiesen die gleiche spartanische Einrichtung auf. Und die ganze Wohnung war so makellos ordentlich, als würde niemand hier leben. Aber eigentlich lebe ich ja auch nicht, oder? fragte Giselle sich still, als sie an dem großen Spiegel in der Diele vorbeiging. Zumindest war es nicht das, was andere Menschen unter dem Wort „leben“ verstanden.
Wenn sie nicht arbeitete oder raus nach Norden zu ihrer Großtante fuhr, verbrachte sie so viel Zeit wie möglich damit, Londons Museen zu besuchen, ging in den Parks der Stadt spazieren oder setzte sich in ein Café, um sich den Lauf der Welt anzusehen – einer Welt mit glücklichen Paaren und Familien, aus der sie auf immer ausgeschlossen sein würde.
Sie ging in ihr Schlafzimmer weiter und stellte die vielen glänzenden Einkaufstüten ab. Hier gab es auch einen begehbaren Schrank, und zum ersten Mal, seit der Vorbesitzer ausgezogen war, würde hier Garderobe hängen, die zu dem Luxusteil passten. Giselle begann damit, ihre neuen Kleider auszupacken und aufzuhängen. Sie würde sich zwingen müssen, diese Kleider zu tragen.
Es sind nur Kleider, versuchte sie sich zu überzeugen. Weder hatte sie sie gewählt, noch waren sie ein Geschenk. Es war Arbeitskleidung, daran musste sie denken, wenn sie sie trug, nicht daran, wie elegant und schick sie darin aussah, sondern wie schwer es ihr fiel, sie anzuziehen. Es war die Buße, die sie tun musste, eine Buße, die Stefano ihr aufgezwungen hatte.
Giselle hob das Kinn. Nun, Stefano sollte nie erfahren, dass es ihm gelungen war, sie zu demütigen – wieder einmal. Nein, mit keiner Regung würde sie zeigen, was sie wirklich fühlte. Stattdessen würde sie so tun, als wäre sie „dankbar“ für seine „großzügige Aufmerksamkeit“, und ihm somit die Befriedigung nehmen, zu wissen, dass er ihr unter die Haut gegangen war.
6. KAPITEL
Durch die Glasfront seines Büros schaute Stefano auf das geschäftige Kommen und Gehen in der Lobby. Sein
Weitere Kostenlose Bücher