Giselles Geheimnis
sondern die Wärme seines Körpers, männlich, lebendig …
Giselle schaute auf seine Hände, die das Lenkrad umfasst hielten. Es waren starke Hände, fähige Hände mit langen Fingern und gepflegten Nägeln. Hände, die sie schon auf ihrer Haut gefühlt hatte … natürlich nicht in einer echten Liebkosung.
Wie mochte es sein, als Geliebte oder Partnerin neben einem Mann zu sitzen, so wie sie hier neben Stefano saß? Für andere Frauen war diese Nähe selbstverständlich – physische und emotionale Intimität. Aber sie würde niemals mit einem Mann reisen, den sie liebte und der ihre Liebe erwiderte …
Aus dem Nichts traf sie der scharfe Schmerz der Wehmut. Das Gefühl von Hoffnungslosigkeit versetzte sie in Schrecken und verärgerte sie zugleich.
Warum sollte sie in Stefano Parentis Gegenwart ständig die Sehnsucht nach etwas verspüren, das sie nicht haben konnte? Etwa wegen seiner … seiner provozierenden Männlichkeit? Er war der Letzte, zu dem sie sich hingezogen fühlen würde, würde sie sich denn erlauben, überhaupt einen Mann in ihr Leben zu lassen. Entschieden riss sie ihren Blick los und schaute angestrengt auf die Straße vor sich.
Es dauerte nicht lange, bis sie den Flugplatz erreicht hatten. Als Stefano sich für die Ausfahrt einreihte, fragte er: „Waren Sie schon einmal auf Kovoca?“
Giselle schüttelte den Kopf. „Nein, aber ich habe Fotos und Videomaterial gesehen … und natürlich die Unterlagen des Landvermessers. Im Westen erhebt sich das Land ziemlich hoch über den Meeresspiegel, und im Osten wird die Insel von einer Bergkette begrenzt. Daher bietet es sich natürlich an, das Urlaubsresort auf der Ebene zwischen den Erhöhungen anzulegen. Was ich von den Fotos und dem Video gesehen haben, muss es unglaublich schön dort sein.“
„Das ist es“, bestätigte Stefano und hielt auf die Flughafengebäude zu. „Ein grünes Juwel mitten in einer türkisblauen See. Mein Großvater hat immer beklagt, dass es in Arezzio keinen Zugang zum Wasser gibt. Vermutlich ist das einer der Gründe, warum ich die Insel gekauft habe – aber nur einer. Ein Mann, der sich von Gefühlen leiten lässt, kann nicht erwarten, erfolgreich zu sein.“
„Und Erfolg ist Ihnen wichtig?“
„Sehr sogar“, gab Stefano unumwunden zu. „Ein Mann, der behauptet, Erfolg sei nicht wichtig für ihn, lügt. Erfolg ist unerlässlich für die männliche Psyche und den männlichen Stolz, so wie es für den Stolz einer Frau wichtig ist, dass ein Mann sie begehrt.“
Giselle warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Das ist eine geradezu lächerlich chauvinistische Bemerkung. Eine Frau muss nicht von einem Mann begehrt werden, damit sie stolz auf sich ist.“
„Mag sein. Aber wenn sie begehrt wird, fühlt sie auch Stolz.“
Giselle hätte sicher eine Antwort dazu gehabt, hätte Stefano nicht in diesem Moment den Wagen genau unter einem schimmernden Privatjet abgebremst. Sie war schon vorher in Privatmaschinen geflogen, das Architekturbüro hatte mehrere wohlhabende Klienten gehabt, die die für die Arbeiten Verantwortlichen so schnell wie möglich an den jeweiligen Ort bringen wollten. Dennoch war etwas an dieser Extravaganz, vom Wagen direkt ins Flugzeug zu steigen, das in Giselle widersprüchliche Empfindungen wachrief. Einerseits verlangte ein solches Maß an Luxus ihr ehrfürchtiges Staunen ab, andererseits hatte sie ein schlechtes Gewissen gegenüber all denjenigen, die nie in ihrem Leben die Chance auf eine solche Erfahrung haben würden.
7. KAPITEL
Der Jet setzte zur Landung an. Stefano, der den gesamten Flug über gearbeitet hatte, verstaute seinen Laptop. Bei der Bewegung spannte sich der Stoff seines Hemdes über den Muskeln von Brust und Armen. Giselles Magen zog sich zusammen, ihr Verstand wehrte sich gegen das Bewusstsein für seine Männlichkeit. Sie wollte sich zwingen, den Blick abzuwenden, doch stattdessen wanderte ihr Blick weiter über Stefanos Oberkörper.
Er hatte die Krawatte gelockert und die obersten beiden Knöpfe des Hemdes gelöst, sobald sie an Bord gegangen waren, doch der Bartschatten auf seinen Wangen war jetzt viel dunkler und schien die sinnliche Form seines Mundes noch zu betonen – des Mundes, auf dem ihr Blick trotz aller Ermahnungen haften blieb.
Mit brennenden Wangen gelang es Giselle endlich, den Blick loszureißen. Fast hätte sie den Kuss noch einmal vor sich abspielen lassen – wieder einmal. Und so streng sie sich auch befahl, an etwas anderes zu denken, sie
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