Giselles Geheimnis
wollte sie sich freimachen, doch er ließ es nicht zu und hielt sie nur noch fester.
Natashas Blick haftete eine Sekunde auf Stefanos Hand an Giselles Arm, dann richtete sie die Augen auf sein Gesicht. „Ich dachte, du würdest allein kommen. Da Aldo eine so wichtige private Angelegenheit mit dir zu besprechen hat.“
„Du hast dich geirrt“, lautete Stefanos nicht zu deutende Antwort. „Wo ist Aldo übrigens?“
„In der Bibliothek, wo sonst.“ Natasha zuckte leicht mit einer Schulter. „Ich verstehe nicht, was ihn an diesen Büchern so fasziniert. Mich langweilen sie nur. Das habe ich ihm auch gesagt. Aber schon bald werde ich mich amüsieren können. Mein Vater hat eine neue Yacht, und ich soll den Sommer über als seine Gastgeberin fungieren. Du musst einfach kommen, Stefano. Mein Vater kennt viele einflussreiche Leute. Mit den richtigen Kontakten lassen sich heutzutage gute Geschäfte in Russland machen.“
„Ich fürchte, meine Pläne für den Sommer werden sich nach Giselles Wünschen richten.“
Von Bedauern ließ sich keine Spur in Stefanos Stimme vernehmen, aber das war es nicht, was Giselle veranlasste, mit der Forderung nach einer Erklärung auf den Lippen zu ihm aufzuschauen. Er allerdings drückte ihren Arm mit der stummen Bitte zu schweigen.
„Du meine Güte.“ Natashas Lächeln war giftig wie Arsen. „Deine neue Freundin muss ja wirklich außerordentliche Qualitäten besitzen, wenn du dir vorstellen kannst, dass du dich in drei Monaten immer noch mit ihr amüsieren wirst. Normalerweise halten sich deine Gespielinnen nie so lange.“
Wäre sie Stefanos Freundin gewesen, hätte Natashas Kommentar Giselle wütend gemacht. Doch im Moment war es vielmehr Stefano, über den sie sich ärgerte. Was, um alles in der Welt, sollte das? Wieso sagte er der anderen Frau nicht, dass sie eine rein geschäftsmäßige Beziehung hatten? Vorwurfsvoll schaute Giselle ihn an, entschlossen, das Missverständnis selbst aufzuklären, doch etwas in seinem Blick warnte sie, es nicht zu tun.
„Natasha, richte Aldo bitte aus, dass ich später zu ihm komme, ja?“
„Später? Warum nicht jetzt gleich?“
„Du sagtest doch gerade, dass er beschäftigt ist … und außerdem liegt eine lange Woche hinter uns. Ich war in New York und Giselle in London. Wir haben einiges nachzuholen.“
Während er das sagte, bedachte er Giselle mit einem Blick, der unmissverständlich besagte, dass das „Nachholen“ ein Bett mit einer nackten Giselle darin einschloss. Und wenn sie auch wusste, dass dieser Blick nur gespielt war und keinerlei Bedeutung hatte, so besaß er dennoch die Macht, ihren Puls zu beschleunigen und ein nahezu schmerzhaftes Verlangen in ihr zu wecken.
Natasha hatte die Bedeutung ebenfalls verstanden. Sie presste die Lippen zusammen und warf Giselle einen vernichtenden Blick zu. „Dinner wird um zehn serviert“, sagte sie kalt.
„Wir werden versuchen zu erscheinen, aber ihr solltet nicht auf uns warten. Wie schon gesagt, wir haben wirklich viel nachzuholen.“
Natashas Gesicht war eine wütende starre Maske. Sie war jedoch nicht die Einzige, die wütend auf Stefano war.
Er hatte jetzt den Arm um Giselle gelegt und führte sie die Stufen hinauf. Vermutlich hielt er sie nur fest, damit sie nicht vor Natashas Augen eine Erklärung von ihm verlangte. Nur unwillig gestand Giselle sich ein, dass sie genau das wahrscheinlich auch getan hätte, wäre die andere Frau ihr nicht auf Anhieb unsympathisch gewesen.
8. KAPITEL
„Ich will wissen, was das sollte“, verlangte Giselle, sobald sie außer Natashas Hörweite waren. Sie versuchte auch, sich von Stefano loszumachen, doch er ließ sie nicht gehen.
„Noch nicht“, sagte er nur, als sie oben auf der Treppe angekommen waren. „Hier entlang.“
An den Wänden des breiten Ganges hingen weitere Porträts. Stefano geleitete Giselle an mehreren Türen vorbei, bis sie vor den breiten Flügeltüren am Ende des Ganges stehen blieben.
Giselle versuchte, ihr Erstaunen zu verbergen, als Stefano einen Schlüssel aus der Tasche zog, aber er hatte ihre Reaktion bemerkt.
„Für mich ist diese Suite ebenso ein privates Zuhause wie mein Haus in London. Und so sollen diese Räumlichkeiten auch bleiben – privat. Ludmilla, die Haushälterin, ist schon hier, seit ich denken kann, wie auch viele andere des Hauspersonals. Sie hat einen Schlüssel. Ich weiß, dass ich ihr vertrauen kann.“
Hieß das, es gab andere, denen er nicht vertraute? Natasha, zum
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