GK0038 - Die Tochter der Hölle
»Und sollte ich erfahren, Mr. Hathaway, daß Sie den Bürgermeister schon telefonisch von meinem Kommen unterrichtet haben, werde ich mich mal intensiver mit Ihnen und Ihrem Hotel beschäftigen. Ist das klar?«
Der Geschäftsführer nickte.
John verließ das Hotel und machte sich auf den Weg zum Rathaus.
Das Rathaus war schon einige hundert Jahre alt. Hohe Gänge, kahle Flure und ein muffiger Bohnerwachsgeruch nahmen John auf.
Der Bürgermeister residierte in der ersten Etage. Er hieß Broomfield, und anmelden mußte man sich bei einer Mrs. Appleton.
Mrs. Appleton, eine dürre Person, die ihre besten Jahre wohl noch nie gehabt hatte, sah John böse an, als er in ihr Allerheiligstes eindrang.
»Mein Name ist John Sinclair, ich möchte den Bürgermeister sprechen«, sagte der Inspektor, der seinen Beruf wohlweislich verschwieg.
»Sind Sie angemeldet?«
»Nein.«
»Dann können Sie Mr. Broomfield auch nicht sprechen.«
»Ist dort sein Zimmer?« John deutete auf eine dunkelgebeizte Tür.
»Ja.«
»Danke, das genügt mir«, erwiderte der Inspektor und ging auf die Tür zu.
»Aber Mister. Sie können doch nicht so einfach…« Mrs. Appleton flitzte behende hinter ihrem Schreibtisch hervor, doch John Sinclair stand bereits schon im Büro des Bürgermeisters.
Broomfield sah gerade aus dem Fenster.
Er drehte sich ärgerlich um, als John das Zimmer betrat.
»Was erlauben Sie sich?«
»Scotland Yard«, sagte John knapp. »Inspektor Sinclair.«
Der Bürgermeister schluckte. »Lassen Sie uns allein, Mrs. Appleton«, schnarrte er, als die Sekretärin gerade zu einer Entschuldigung ansetzen wollte.
Beleidigt zog sie sich zurück.
John kam augenblicklich zur Sache.
»Haben Sie Gilda Moore auf das Schloß geschickt?«
Der rotgesichtige Bürgermeister wurde blaß. Es dauerte etwas, ehe er antworten konnte.
»Äh, die Sache war so, Inspektor. Lord Cheldham bat mich, ihm ein Mädchen zu schicken. Ich meine, was ich Ihnen jetzt sage, bleibt unter uns. Der Lord hatte nun mal eine Faible für schöne Frauen, und schließlich ist er ein geachteter Mann, der viel für Longford tut, deshalb darf man ihm einen kleinen Gefallen nicht abschlagen.«
»Dieser kleine Gefallen hat wahrscheinlich einem jungen Mädchen das Leben gekostet«, erwiderte John hart. »Lord Cheldham lebt nicht mehr, das wissen Sie genauso wie ich. Und ich habe auch Grund zu der Annahme, daß Gilda Moore tot ist.«
»Sie meinen, Lord Cheldham hat das Mädchen umgebracht?«
»Das ist nicht erwiesen. Von Ihnen, Mr. Broomfield, möchte ich nur wissen, ob Gilda Moore die erste war, die Sie auf das Schloß geschickt haben?«
Der Bürgermeister wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ja«, ächzte er. »Sie war die erste. O Gott, hätte ich das geahnt.«
»Für Vorwürfe ist es zu spät, Mr. Broomfield. Wir müssen jetzt weiteres Unheil verhindern, und dabei können Sie mir helfen.« John griff in die Tasche und holte das kleine schwarze Buch hervor, das er von Cheldham Castle mitgebracht hatte.
»Lesen Sie dieses Buch, Herr Bürgermeister. Und dann möchte ich Ihnen einige Fragen dazu stellen.«
Broomfield begann zu blättern. Es dauerte fast eine halbe Stunde, ehe er das Buch durch hatte. Doch dann blickte er John aus schreckgeweiteten Augen an.
»Mein Gott«, flüsterte er, »das ist ja grauenhaft.«
»Genau das habe ich auch gedacht, Mr. Broomfield«, sagte John. »Ich darf noch einmal kurz zusammenfassen: In diesem Buch wird von einer gewissen Elizabeth Barthony berichtet, die vor einigen hundert Jahren als Hexe ermordet worden ist. Elizabeth Barthony war selbst eine Adelige, aber sie hatte ein Kind, von dem niemand etwas wußte. Dieses Kind, ein Mädchen, ist von Pflegeeltern großgezogen worden und hat hinterher einen Cheldham geheiratet. Die Elizabeth Barthony geriet in Vergessenheit, jedoch nicht der Fluch, den sie noch ausgesprochen hatte. Heute ist die Zeit gekommen, in der er sich bewahrheiten wird. Ich war in der Gruft des Schlosses. Es gibt dort die Särge der Barthonys und der Cheldhams. Jedoch der Sarg der Elizabeth Barthony ist leer. Noch leer. Diese Frau ist in der alten Abtei beerdigt worden. Ein Reporter und seine Freundin haben das Grab aufgesucht und durch einen unglücklichen Zufall den Fluch wieder ins Leben gerufen. Mr. Broomfield, was ich Ihnen jetzt sage, ist schwerwiegend und bleibt unter uns. Elizabeth Barthony ist zurückgekehrt. Sie hat ihr Schattenreich verlassen und wird sich ihre Opfer holen. Jetzt meine Frage:
Weitere Kostenlose Bücher