GK0049 - Dämonos
daß er trotz der vielen Geräusche im Haus auf dem Speicher trampelnde Schritte hörte.
John kletterte die enge Stiege hinauf. Sie mündete in einer offenstehenden Luke.
Vorsichtig peilte John über den Rand.
Vor sich sah er einen großen, fast finsteren Speicher. Drahtleinen, an denen Wäschestücke hingen, spannten sich von einer Seite zur anderen.
John glitt über den Rand der Luke.
Jetzt mußte er verdammt vorsichtig sein. Irgendwo hatte sich Cindy versteckt. Lauerte wahrscheinlich auf ihn, um mit ihrer schrecklichen Waffe einen Mord zu begehen.
Möglichst geräuschlos schlich John über den Boden. Immer wieder huschten seine Blicke hin und her.
Und plötzlich sah er, daß ein Wäschestück im Windzug flatterte. John kreiselte herum.
Das offene Fenster starrte ihm höhnisch entgegen.
Mit wenigen Sätzen hatte John es erreicht.
Es war quadratisch und ziemlich klein. Dabei noch sehr hoch. Der untere Rahmen reichte John bis zur Brust.
Inspektor Sinclair peilte aus dem Fenster und dachte, ihn würde der Schlag treffen.
Das Dach war schräg. Die regennassen Pfannen glänzten.
Ein schräges Dach!
Und Cindy…?
John Sinclair zögerte nicht länger. Er stemmte sich mit beiden Armen an dem Fensterrahmen hoch, verlagerte sein Gewicht nach vorn und lag dann halb auf den Dachpfannen.
Der starke Regen war in ein feines Nieseln übergegangen. Die Luft war feucht und schwer.
John ließ seinen Blick schweifen.
Von Cindy war nichts zu sehen. Urplötzlich vernahm er hinter sich ein Keuchen.
Cindy! Sie mußte über ihm gelauert haben.
Das war alles, was John noch denken konnte, denn im gleichen Augenblick krachte etwas mit elementarer Wucht gegen seinen Kopf.
Es war eine Dachpfanne. Cindy hatte sie geworfen. Allerdings nicht gut gezielt. Der Ziegel hatte Johns Hinterkopf nur gestreift. Da John auch nicht allzu weit auf dem Dach lag, hatte ihn der Schlag auch nicht so stark nach vorn geworfen, daß er auf den glatten Ziegeln hätte hinunterrutschen können.
Der Inspektor fühlte, wie ihm das warme Blut in den Nacken rann. Mühsam wandte er den Kopf.
Cindy hockte schräg über ihm. Sie hatte sich mit Händen und Füssen abgestützt, um die Balance zu halten. Den Dolch hielt sie mit dem Griff zwischen den Zähnen.
»Machen Sie keinen Unsinn!« keuchte John. »Kommen Sie her.«
Er streckte einen Arm aus und drehte sich langsam auf den Rücken.
Doch Cindy hörte nicht. Oder sie wollte nicht hören. John brauchte nur in ihre mordlüsternen Augen zu blicken, um zu wissen, was die Stunde geschlagen hatte.
Cindy rutschte immer näher. Vielleicht noch einen Meter, dann hatte sie den Inspektor erreicht.
Und John hing immer noch in dieser verdammten Schräglage.
Wenn das Mädchen die Nerven verlor, dann…
Plötzlich hob Cindy ihren rechten Arm und riß den Dolch aus dem Mund. Weit holte sie aus, um die scharfe Klinge in John Sinclairs Brust zu stoßen.
Der Inspektor ahnte, was nun passieren mußte.
»Cindy!«
Der Schrei blieb ihm in der Kehle stecken.
Durch die unkontrollierte Bewegung kam das Mädchen auf den glitschigen Pfannen ins Rutschen.
Wie in Zeitlupe glitt sie an John vorbei.
»Meine Hand!« brüllte John Sinclair. Cindy dachte nicht daran. Sie sah ihn nur starr an.
John setzte alles auf eine Karte. Er warf sich so weit vor, daß praktisch nur noch seine Fußspitzen an der Fensterbank Halt fanden.
Cindy hatte John schon passiert. Im letzten Augenblick bekam der Inspektor noch einen Schuh zu fassen.
Seine Finger klammerten sich um das Leder.
Cindys tödliche Rutschpartie wurde gebremst.
Das Mädchen merkte, was los war, und wandte sich um. Für Sekundenbruchteile sah John in ihr leichenblasses Gesicht. Dann verzerrte es sich zu einer teuflischen Grimasse.
Cindy nahm den Dolch und stieß damit gegen Johns Hand.
John Sinclair ließ los. Mußte loslassen.
Cindy, immer noch in Bewegung, kippte plötzlich zur Seite weg. Sie prallte auf das Dach, überschlug sich und rutschte dann mit atemberaubender Schnelligkeit dem Dachrand zu.
Aus Johns Kehle kam nur ein verzweifeltes Krächzen, als Cindy Nichols, ohne einen Laut von sich zu geben, in die gähnende Tiefe fiel.
Bis hier oben hörte man den Aufprall des Körpers.
John Sinclair kroch langsam zurück. Er hatte sein möglichstes getan und trotzdem nicht helfen können.
Ein bitteres Gefühl.
Was waren das nur für Menschen, die Cindy in ihren Klauen hatten?
Aber waren es überhaupt Menschen? Noch ahnte John Sinclair nichts von der Göttin Li
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