GK0049 - Dämonos
paar Tage Bettruhe können nie schaden.«
Samantha lächelte gequält. »Vielen Dank, Doktor. Aber ich kann leider Ihren Vorschlag nicht annehmen. Ich habe noch einiges zu erledigen.«
»Wie Sie wollen, Miss Croydon.«
Samantha wandte sich zum Gehen.
»Ich begleite Sie noch bis zur Tür«, sagte der Arzt.
Draußen verabschiedete er sich mit einem festen Händedruck.
Es nieselte noch immer. Tief zog Samantha die feuchte Luft ein. Nach dem Krankenhausgeruch war das direkt eine Erholung für die Lunge.
Samantha blickte auf ihre Uhr. Noch eine Stunde bis Mitternacht. Vor dem Krankenhaus warteten immer einige Taxis. Samantha winkte einen Wagen herbei und gab als Fahrtziel ihre Wohnung an.
Die Fahrt verlief schweigend. Samantha dachte an Garry Santer. Sie hatte diesen Mann geliebt, und er war auch nicht abgeneigt gewesen, eine Ehe mit ihr einzugehen. Doch dann war der bestialische Mord geschehen. Samantha preßte die Zähne zusammen, als sie daran dachte. Haß drohte sie zu überwältigen. Aber noch ein anderes Gefühl breitete sich aus.
Rache!
Rache für Garry Santer!
»Wir sind da, Madam«, sagte der Fahrer und wandte sich um. Als er in Samanthas Augen blickte, zuckte der Mann erschrocken zurück. »Ist Ihnen nicht wohl, Madam?«
»Doch, doch.«
Zum Glück fand Samantha noch Geld in ihrer Manteltasche. Es reichte gerade aus, um die Fahrt zu bezahlen.
Ihre Nachbarn waren inzwischen wieder zu Bett gegangen. Wenigstens konnte man das aus der Ruhe folgern, die im Haus herrschte.
Samantha betrat ihre Wohnung und ging sofort ins Schlafzimmer. Sie kümmerte sich auch nicht um die Unordnung, die in den Räumen herrschte, sondern wühlte mehrere Nachttischladen durch und fand schließlich ihre Pistole.
Es war eine italienische Beretta. Garry Santer hatte sie ihr einmal geschenkt. Die Waffe war geladen.
Sechs Schuß steckten in dem Magazin. »Ich hätte die Pistole ein paar Stunden früher zur Hand haben sollen«, murmelte Samantha, aber da hatte sie in ihrer Panik ganz vergessen, daß im Schlafzimmer noch eine Waffe lag.
In der Zwischenzeit hatte sich Samantha jedoch gewandelt. Sie hatte fast all ihre Gefühle abgeschüttelt und lebte jetzt nur noch für ihre Rache. Als sie in den Spiegel blickte, sah sie, daß ihr Gesicht wie aus Holz geschnitzt wirkte.
Samantha steckte die Pistole in den Rockbund und zog ihren Pullover darüber. Anschließend nahm sie sich etwas Geld und verließ die Wohnung – nicht, ohne vorher gut abgeschlossen zu haben.
Natürlich begegnete ihr im Hausflur Mrs. Peddleton. Die Alte hatte einen Morgenrock übergestreift und sah aus wie ihre eigene Großmutter.
»So spät noch weg, Miss Croydon?« fragte sie mit ihrer quäkenden Stimme.
»Ja, auf Männerjagd«, erwiderte Samantha knapp und öffnete die Haustür.
Sie hörte die Alte noch reden, als sie schon an ihrem Austin stand.
Samanthas Ziel war Soho. Dort hatte Garry Santer seine Ermittlungen aufgenommen. Samantha wußte zwar nicht genau, in welchen Lokalen der Privatdetektiv recherchiert hatte, aber sie konnte sich ungefähr vorstellen, wo er eine Spur gefunden hatte.
Der Austin rollte durch das nächtliche London. Am Piccadilly Circus herrschte noch immer Hochbetrieb. Bordsteinschwalben und Dealer hatten hier ihr Revier. Dazwischen flanierten Passanten und manchmal auch Bobbys.
Samantha hatte für das Treiben keinen Blick. Heute ging es um mehr. Vielleicht würde sie den nächsten Tag gar nicht mehr überleben. Möglich war alles.
Samantha Croydon erreichte Soho. Die Straßen wurden enger, winkliger, und die Menschen links und rechts auf den Bürgersteigen gehörten einer anderen sozialen Schicht an.
Finstere Lokale, die man oft nur als Kaschemmen bezeichnen konnte, tauchten auf. Teilweise standen die Namen in Leuchtschrift über dem Eingang. Aber oft brannte auch diese nicht.
Samantha parkte ihren Wagen in einer Seitengasse. Schon als sie ausstieg, wurde sie von zwei Kerlen angesprochen. Samantha kümmerte sich nicht darum, sondern wandte sich in eine andere Richtung.
Sie erreichte eine schmale Gasse, die mit Kopfsteinpflaster ausgelegt war. In dieser Ecke mußte Garry Santer mit seinen Aufklärungen begonnen haben.
Die Reklame eines Lokals fiel Samantha ins Auge. Blue Bird hieß es, und über dem Eingang war ein großer Vogel angebracht worden, dessen Umrisse alle zwei Sekunden blau aufleuchteten.
Zu der Kneipe selbst ging es drei Treppen hinunter. Die Holztür war mit Pornobildern beklebt worden, die aber schon zum
Weitere Kostenlose Bücher