GK0061 - Der Gnom mit den Krallenhänden
Haggerty, sich elegant aus der Affäre zu ziehen.
»Hier gibt es nichts zu sehen. Sehen Sie zu, daß Sie an Ihre Arbeit kommen.«
Er warf noch einen Blick auf Marion Nelson und verschwand.
Marion war leichenblaß. Kitty hielt sie an beiden Schultern gefaßt.
»Ich gehe mit dir zum Waschraum. Du kippst ja sonst unterwegs noch um.«
»Nein, es geht schon wieder«, sagte Marion mit überraschend fester Stimme. »Es war nur ein kleiner Schwächeanfall. Ich bin gleich wieder da.«
Mit Puddingknien ging Marion Nelson durch das große Büro. Mancher verstohlene Blick wurde ihr zugeworfen.
Marion trat auf den langen Gang, dessen Wände mit grünen Platten gekachelt waren. Auf dem Weg zum Waschraum begegnete ihr nur ein Angestellter, der sie verwundert ansah.
Der Waschraum war leer und ebenfalls grün gekachelt. An der einen Wand waren mehrere Becken installiert, über denen große Spiegel hingen.
Sekundenlang betrachtete sich Marion im Spiegel. Noch immer war ihr Gesicht weiß wie ein Leinentuch. Unzählige Schweißperlen glitzerten auf der Stirn.
Marion drehte den Hahn auf. Rauschend strömte das Wasser in das Becken. Das Mädchen bückte sich, formte die Hände zu einem Trichter und wollte sie gerade unter den Wasserhahn halten, da nahm sie neben sich eine Bewegung wahr.
Erschrocken kreiselte Marion herum.
Vor ihr stand der Bucklige!
Im ersten Moment konnte Marion keinen Ton hervorbringen. Zu grauenhaft war die Überraschung gewesen.
Marion spürte, wie die Hand, mit der sie sich an das Waschbecken geklammert hatte, wegglitt und ihre Knie nachgaben. Im letzten Augenblick konnte sie sich noch fangen.
»Dachtest du, du würdest uns entkommen?« flüsterte der Bucklige rauh. »Nein, wen Sourette einmal in den Klauen gehabt hat, den läßt er nie mehr los.«
Cascabel lachte lautlos. »Sieh dich um, dort steht der große Sourette.«
Wie in Trance wandte Marion den Kopf.
Der Gnom hatte nicht gelogen. Direkt neben der Tür stand der Magier. Er blickte Marion aus seinen unergründlichen Augen an. Ein dunkelroter Schein hatte sich um seinen Körper gelegt. Langsam kam er näher.
»Marion Nelson«, sagte er leise, »du wirst die erste sein, deren Schädel ich mir hole, um meine Rache zu vollenden. Ich wollte dich zu meiner Dienerin machen, doch du hast versagt. Jetzt bist du mein Opfer!«
Marion begriff nichts. Sie wußte nicht, was sie diesem Mann getan hatte. Warum gerade sie?
Warum?
Wie aus weiter Ferne hörte sie draußen auf dem Gang eine Frauenstimme schimpfen, vernahm das harte Schlagen einer Türklinke.
Schrei doch um Hilfe! rief eine innere Stimme. So schrei doch endlich!
Kein Ton drang über die Lippen des Mädchens. Ganz dicht stand der Magier vor ihr. Seine Lippen bewegten sich kaum, als er sagte: »Du bist das erste Opfer meiner gnadenlosen Rache!«
Er streckte die Hand aus, berührte die Schulter des Mädchens.
Es war Marion, als hätte sich die Hölle aufgetan und würde sie verschlingen. Ein blutroter Kreisel begann sich zu drehen, wurde immer schneller und zog sie in einen Schacht, aus dem es kein Entrinnen mehr gab…
***
»Es ist eine Schweinerei!« schimpfte die Frau, als sie das Büro betrat.
Kitty Jones, die sowieso nicht gearbeitet hatte, sprang auf.
»Was ist denn, Flora?«
»Was ist denn, was ist denn«, äffte die Frau nach. »Deine Freundin, diese Marion, ist in den Waschraum gegangen und hat die Tür abgeschlossen. Will sie sich mit einem Liebhaber treffen?«
»Aber da steckt doch gar kein Schlüssel drin«, sagte Kitty und wurde auf einmal bleich.
Ohne die Antwort ihrer Kollegin abzuwarten, rannte sie über den Gang in Richtung Waschraum.
Aufgeregt legte sie die Hand auf die Klinke.
Die Tür war offen!
Kitty stürzte in den Waschraum.
Marion war nicht da. Nur ein laufender Wasserhahn rauschte. Gegenüber dem Waschbecken befanden sich die Toilettentüren. Fünf insgesamt. Kitty öffnete jede Tür. Die Zellen waren leer.
»Marion?« rief Kitty.
Keine Antwort.
Kitty Jones bekam plötzlich Angst. Die Ereignisse der vergangenen Nacht standen wieder klar und deutlich vor ihren Augen. Sollte Marion sich in den Klauen des Magiers befinden?
Wie von Furien gehetzt, rannte Kitty Jones wieder aus dem Waschraum. Sie lief nicht zurück an ihren Arbeitsplatz, sondern betrat eine Tür vorher das Büro von Mr. Haggerty.
»Mr. Haggerty«, rief sie atemlos. »Ich muß unbedingt telefonieren.«
Haggerty blickte sie aus seinen kalten Augen an. »Sie wissen ja, Miss Jones, daß
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