GK0077 - Der Blutgraf
Ihnen allein reden.« Und zu den beiden Offizieren gewandt, sagte John: »Ich wünsche, daß Sie über diese Vorfälle strengstes Stillschweigen bewahren. Es darf auf keinen Fall an Bord zu einer Panik kommen. Verstanden?«
»Ja«, lautete die einstimmige Antwort.
»Ich schlage vor, wir gehen in Ihre Kabine, Käpt’n«, sagte John Sinclair. »Dort sind wir ungestört.«
Die Männer wollten sich gerade auf den Weg machen, als hinter der Glastür ein Mann auftauchte, hastig einen Türflügel aufriß und auf John zugestürzt kam.
Der Mann war Bill Conolly. Die Haare hingen ihm wirr in die Stirn, das Hemd war aufgerissen, und sein Gesicht war naß von Schweiß.
John Sinclair ahnte Schreckliches, als er Bill so sah.
Sein Blick hing wie eine unsichtbare Frage an dem Gesicht des Reporters.
»Sheila!« keuchte Bill Conolly. »Sie… sie ist verschwunden. Ein Vampir hat sie geholt!«
Einen Herzschlag lang schloß John die Augen. Obwohl er es irgendwie geahnt hatte, traf ihn die Nachricht doch wie ein Keulenschlag.
Der Inspektor hatte seinen Freund noch nie so deprimiert gesehen. Bill hatte den Kopf gesenkt. Tränen schimmerten in seinen Augen.
»Einen Vampir habe ich umbringen können. Aber Sheila – sie ist… John, ich glaubte nicht, daß wir sie noch retten können…«
***
Niemand hatte Graf Tomaso auf seinem Gang durch das Schiff beachtet. Auch Sheila Conolly schenkte keiner große Aufmerksamkeit. Sie schien einfach zu dem Grafen zu gehören.
Jetzt trieb sich der Vampir mit dem Mädchen in den unteren Laderäumen herum. Er suchte nach einem geeigneten Versteck für Sheila Conolly – und nach neuen Opfern.
Noch lag eine lange Nacht vor ihm. Eine Nacht, in der die Menschen auf dem Schiff das Grauen kennenlernen sollten.
Tomaso hatte wohl etwas von der Hektik gespürt, die das plötzliche Auftauchen des Vampirs in dem Speiseraum zur Folge gehabt hatte. Aber das war erst der Anfang.
Sheila Conolly folgte dem Blutsauger wie ein treuer Hund seinem Herrn. Bills Frau war nur noch eine Marionette. Dank seiner teuflischen Fähigkeiten hatte Tomaso ihr den eigenen Willen aufgezwungen.
Und wie so oft kam auch diesmal dem Vampir der Zufall zu Hilfe.
Graf Tomaso hörte plötzlich Schritte. Die mit kleinen Metallplatten versehenen Absätze knallten dumpf auf dem Boden.
Der Graf verharrte, zog Sheila dicht an sich.
Sie standen in einem schmalen Gang und hatten sich zusätzlich mit dem Rücken gegen die Wand gepreßt.
Eine Tür wurde geöffnet. Sie quietschte erbärmlich in den Angeln.
»Verdammt noch mal«, knurrte eine rauhe Stimme. »Die scheiß Tür…« Der Rest der Worte ging in unverständliches Gemurmel über.
Ein Lichtstrahl blitzte auf. Er kam von einer Taschenlampe, die der Ankömmling in der Hand hielt.
Die Tür fiel ins Schloß.
Jetzt tanzte der Lichtschein durch den Gang, erfaßte die beiden Wände – und…
»Was machen Sie denn da?« zischte der Mann und hielt die Lampe so, daß sie Graf Tomaso blendete.
Doch der Vampir ließ sich nicht beirren.
Er trat einen halben Schritt vor. Dadurch konnte der Mann mit der Lampe Sheila Conolly sehen.
»Aha«, sagte er, »ein Schäferstündchen zu zweit. Tut mir leid, daß ich…«
Weiter kam er nicht. Graf Tomaso hatte zugepackt.
Schraubstöcken gleich preßten sich seine Hände um die Kehle des Opfers. Wild warf der Vampir den Unglücklichen herum, knallte ihn gegen die Wand des Ganges.
Die Lampe fiel dem Mann aus der Hand, brannte aber weiter.
Graf Tomaso war besessen. Er würgte sein Opfer so lange, bis kein Laut mehr aus dessen Kehle kam. Dann erst ließ er von ihm ab. Langsam sackte der Mann zu Boden. Der Vampir fühlte nach dessen Puls. Er schlug noch.
Graf Tomaso winkte Sheila heran. »Heb die Lampe auf!« befahl er. Sheila gehorchte.
Der helle Strahl fiel auf einen Schlüsselbund, der am Gürtel des Ohnmächtigen hing.
In den Augen des Vampirs blitzte es auf. Genau das hatte er gehofft.
Er löste den Schlüsselbund und ging damit zu der Tür, hinter der auch sein Sarkophag stand.
Der fünfte Schlüssel paßte. Sheila leuchtete dem Vampir bei dieser Arbeit mit der Lampe.
Die Tür schwang zurück. Muffige Luft strömte aus dem Lagerraum. Der Vampir gab Sheila die Lampe, ging zu dem Bewußtlosen und schleifte ihn in den Lagerraum. Dann schloß er die Tür von innen. Graf Tomasos Augen leuchteten auf, als er den Mann vor sich auf dem Boden liegen sah. Wieder packte ihn der heiße Blutrausch.
Mit einem Knurren stürzte sich der Graf auf
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