GK0077 - Der Blutgraf
Sie Polizeibeamter sind. Deshalb also dieses außergewöhnliche Interesse an dem Toten unten am Hafen. Aber sagen Sie eins: sind Sie dienstlich hier? Und was ist mit Parkinson, dem Dritten Offizier?«
»Langsam, Käpt’n. Immer der Reihe nach.« John wies auf den Vampir, der sich ängstlich gegen die Reling gepreßt hatte. »Dieser Mann dort ist ein Untoter.«
»Ein was?« Titus van Heeren, eingefleischter Seelord, der die Weltmeere wie seine Westentasche kannte, zweifelte an seinem Verstand. So etwas hatte er noch nie gehört.
»Er ist ein Untoter«, wiederholte John, »oder ein Vampir, falls Ihnen das mehr sagt.«
»Ja, von Vampiren habe ich gelesen«, erwiderte van Heeren. »Aber die gibt es doch nur in Büchern.«
»Haben Sie eine Ahnung. Ich werde Ihnen jetzt und hier beweisen, daß Vampire existieren.«
»Wie wollen Sie das denn machen?«
»Geben Sie mir eine Pistole.«
»Wie Sie meinen.«
Der Kapitän befahl einem der Offiziere, die Pistole abzugeben. John wog die Waffe gemächlich in der Hand. Ein bitteres Lächeln hatte sich in seinem Gesicht eingekerbt. Im Prinzip widerte ihn diese Demonstration an, aber hier mußte es sein.
Die Waffe in Hüfthöhe haltend, ging John auf den Vampir zu. Der Untote stand genau zwischen zwei Beleuchtungskörpern, und John Sinclair sah das Weiße in den weit aufgerissenen Augen des Mannes leuchten.
Der Vampir hatte Angst.
Drei Schritte vor ihm blieb John stehen.
Der Mund des Untoten war halb geöffnet. Wie zwei weiße Dolche klebten die Spitzen der Zähne auf der Unterlippe.
Der Inspektor hob den rechten Arm, zielte und drückte zweimal hintereinander ab.
Beide Geschosse fegten dem Vampir in die Brust.
Der Untote brüllte auf, jedoch nicht vor Schmerz, sondern mehr aus Schrecken, denn die Wucht der Einschläge hatte ihn gegen das Geländer gepreßt.
John Sinclair ließ die Waffe sinken. Er drehte ein wenig den Kopf nach links.
»Nun, meine Herren, haben Sie alles verfolgt?«
»Verdammt, ja«, ächzte Titus van Heeren, der Kapitän. »Die Kugeln sind ihm beide in die Brust gefahren, und… oh, verdammt.«
»Es waren eben keine Silberkugeln«, erklärte John. »Damit wäre der Vampir jetzt ausgelöscht.«
Auch die beiden Offiziere sahen sich betreten an. »Ich habe einen silbernen Talisman«, sagte einer von ihnen. »Können Sie damit etwas anfangen, Sir?«
»Ist dieser Talisman geweiht?« stellte John die Gegenfrage.
»Nein.«
»Dann ist er wertlos. Aber ich weiß trotzdem, wie wir den Vampir vernichten können.« John ließ die Pistole in die Außentasche seines Smokings gleiten. Die Waffe war ihm jetzt nur hinderlich. Dann trat der Inspektor noch einen Schritt vor.
Der Vampir verzog das Gesicht. Ein hämisches Kichern kam aus seinem Mund.
»Du kannst mich nicht töten, denn du hast keine Waffe bei dir. Keinen Pfahl und…«
John ließ den Untoten nicht erst ausreden. »Und doch kann ich dich töten. Ich werde das nachholen, was ich vorhin vorgehabt habe.«
Mit einem gedankenschnellen Schlag rammte John dem Untoten die flache Hand unter das Kinn und packte gleichzeitig den Hosengürtel des Vampirs.
Ein kurzer Ruck, und der Blutsauger schwebte in der Luft.
Verzweifelt strampelte der Untote mit den Beinen. Aus seinem Mund drangen gräßliche Schreie.
John kannte kein Pardon. Durfte es nicht kennen, denn diese Brut der Untoten mußte ausgerottet werden.
Der Inspektor bog den Oberkörper weit zurück und warf den Vampir im hohen Bogen über die Reling.
Ein langgezogener Schrei drang aus dem Mund des Blutsaugers, der abrupt verstummte, als der Körper auf die Wasseroberfläche klatschte.
Die tonnenschwere Schiffschraube würde ihr übriges tun.
Der Inspektor wandte sich um.
Drei bleiche Gesichter starrten ihn an.
»Mußte das sein?« fragte der Kapitän rauh. »Gab es keine andere Möglichkeit?«
John schüttelte den Kopf. »In diesem speziellen Fall nicht.«
Titus van Heeren schluckte. Er öffnete den Mund zu einer Frage, schien sich aber nicht zu trauen, den Satz auszusprechen.
»Sie wollen sicher wissen, ob er der einzige Vampir gewesen ist?«
»Ja.«
»Da kann ich Ihnen leider auch keine genaue Auskunft geben. Aber lassen Sie sich gesagt sein, einen Vampir wird es bestimmt noch auf dem Schiff geben.«
»Mein Gott«, flüsterte der Kapitän. »Dann schweben wir tatsächlich alle in großer Gefahr.«
»Genau. Und wir müssen was dagegen tun.«
»Sehen Sie denn eine Möglichkeit, Inspektor?«
»Vielleicht. Aber darüber möchte ich mit
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