GK0080 - Das Höllenheer
bewegte John Arme und Beine. Es ging. Er war nicht gefesselt. Unendlich langsam hob er die rechte Hand. Die Schreckensgestalten starrten alle an ihm vorbei, konzentrierten sich auf einen anderen Vorgang und merkten nichts von Johns Bewegungen.
Seine Hand glitt über das schweißfeuchte Hemd, tastete sich unter die Jacke – und…
Der Stab des Gottes Schiddhu! Vielleicht Jahrtausende alt und geweiht mit Dämonenbannern. John hatte sich den Stab nicht genau ansehen können, wußte aber, daß seltsame Zeichen und Symbole in das Holz eingeschnitzt worden waren. Die Finger seiner rechten Hand umklammerten das geweihte Holz. Und plötzlich verließ ein Kraftstrom den Stab und nahm von Johns Körper Besitz.
Der Inspektor fühlte sich mit einemmal leicht und frei. War in einer Verfassung, es mit jedem Gegner aufnehmen zu können. Auch die Angst und das Entsetzen waren verflogen.
»Und nun zu dir!« drang eine Stimme an Johns Ohr. »Lange genug habe ich auf den Moment gewartet. Jetzt ist es soweit!«
Siedendheiß fiel John der Inder ein. Nur ihm konnten die Worte gegolten haben. Er sollte das nächste Opfer sein. John Sinclair mußte etwas unternehmen. Jetzt, noch in dieser Sekunde. John vertraute voll und ganz der Kraft des Stabes – und seiner eigenen Stärke. Mit einem Schrei sprang John von der Altarplatte hoch. Die Dämonen und die Göttin waren völlig überrascht. Breitbeinig stand John an dem Kopfende des Opferaltars, hielt den Stab mit beiden Fäusten fest umklammert. Der Dämonenbanner des Gottes Schiddhu strahlte eine unbändige Kraft aus. Feurige Blitze zuckten dem gräßlichen Maul der Göttin entgegen. Kalhori stieß einen nervenzerfetzenden Schrei aus. Die Fratze verzerrte sich, der Schnabel wurde kleiner, und ein riesiges Maul wie der Höllenschlund selbst öffnete sich. Eine gräßliche stinkende Wolke drang daraus hervor. Die Diener der Göttin hatten sich auf die Erde geworfen. Sie heulten und kreischten in gräßlichen Tönen. Plötzlich fegte ein eisiger Wind durch die Dämonenhalle, hob die Schreckensgestalten hoch wie welke Blätter und jagte sie dem Höllenschlund entgegen. John Sinclair stand wie ein Fels in der Brandung. Ihm – ein Wesen aus Fleisch und Blut – konnte dieser Sturm nichts anhaben. Genau wie Mandra Korab, der immer noch auf dem Altar lag und der Vernichtung der Göttin mit weit aufgerissenen Augen zusah. Schreiend verschwanden die letzten Dämonendiener in dem feurigen Schlund. Aber noch war die Göttin nicht besiegt.
Noch kämpfte sie. Ging über die Metamorphose. Eine grauenhafte Verwandlung setzte ein. Der obere Teil der Fratze löste sich auf. Umrisse eines riesigen Frauengesichtes wurde sichtbar. Augen traten hervor, der Teil einer Nase. Das Grauen zerrte an John Sinclairs Nerven. Er hatte plötzlich Angst, daß die Kraft des Stabes nicht ausreichte. Er sah wie sich das Gesicht – halb Mensch, halb Dämonenfratze – vorbeugte. Da griff John Sinclair zum allerletzten Mittel. Er beugte sich zurück, schwang seinen Arm weit über den Kopf und warf mit einer gewaltigen Bewegung den magischen Stab in den Rachen der Göttin. Es wirkte wie der berühmte Funke auf dem Pulverfaß. Wie von Urgewalten getrieben, platzte Kalhori auseinander. Unbeschreibliche Gewalten wurden frei. Feuer, Rauch und Sturm vereinigten sich zu einem Inferno. Mörderische Schreie mischten sich in das Tosen. Mandra Korab war von dem Altar aufgesprungen. Er stand neben John, zitterte genau wie der Inspektor am gesamten Körper. Plötzlich schwankte der Boden unter ihren Füßen. Entsetzt klammerten sich die Männer aneinander. Ein reißender Sog zerrte sie mit sich fort. Sie rasten genau auf eine Wand zu, wurden wie Spielbälle umhergeschleudert. Die beiden Menschen waren zwischen den Fronten der Reiche gelandet.
»Johnnnn…!«
Mandra Korabs Schrei gellte noch einmal auf, dann fraß den Inder eine unendliche Schwärze. Sekunden später war auch John Sinclair in den Tunnel der Zeiten eingetaucht…
***
Mandra Korab und John Sinclair wurden zur gleichen Zeit wach. Für einen Augenblick sahen sie sich konsterniert an. Dann kam die Erinnerung zurück.
»Wir haben es geschafft!« flüsterte John.
Sie waren gerettet.
»Ich glaube, wir haben alles nur geträumt!« sagte Mandra Korab leise.
»Nein!« John schüttelte den Kopf und deutete dann auf Mandras Fingerspitzen. Der Inder hob die Hände. Die Fingerkuppen waren blutig. Eine letzte Erinnerung aus der Dämonenwelt.
***
Einige Tage später traf John
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