GK0080 - Das Höllenheer
England. Ich hatte von ihm gehört, allerdings nicht geahnt, daß er so stark ist. Aber jetzt nützt euch das gar nichts. Ihr seid in meiner Gewalt. Und niemand ist bisher aus meinem Reich entkommen. Ein Reich, das ihr zwar als dreidimensional empfindet, das aber doch dimensional ist. Es ist ein Zwischenreich. Nur manchmal, an bestimmten Zeiten und Punkten, kann man in das diesseitige Reich gelangen und umgekehrt. Euch ist es gelungen, mich zu sehen. Doch mehr auch nicht. Schon bald wird der Fluch der Verbannung gelöst sein, und ich kann auf die Erde zurückkommen, um ihr mein Zeichen aufzudrücken. Doch nun zu euch. Du, Mandra Korab, wirst zusehen müssen, wie ich den Mann, den du retten wolltest, als Opfer nehme. Anschließend wird es dir ebenso ergehen. Und als letzter kommt dein Freund an die Reihe. Auch er wird sich nicht wehren können!«
Weit riß Mandra Korab die Augen auf. Der Schnabel der Göttin war halb geöffnet. Der Rauch, der daraus hervordrang, hatte eine grünliche Farbe. Jetzt ruckte der Schnabel ein Stück zur Seite, verharrte genau über dem ersten Opfer. Der Unglückliche hinter dem Inder bekam das alles gar nicht mit. Sein Geist war bereits vom Wahnsinn gezeichnet. Die Höllenknechte begannen mit einem gräßlichen Heulen. Es war die Todesmelodie für das erste Opfer. Gläserne Dolche wischten durch die Luft, warfen zuckende Lichtreflexe. Der Schnabel beugte sich tiefer. Mandra Korab, geschockt durch dieses gräßliche Schauspiel, lag stocksteif auf dem Altar. Unwillkürlich schloß er die Augen.
Sekunden vergingen.
»Aaaahhh!«
Ein kurzer Schrei übertönte das Heulen der Dämonen, Mandra Korab öffnete die Augen. Jäh sprang ihn das Entsetzen an und verschlang ihn.
»Nein!« ächzte der Inder. »Nein!«
Er wandte den Kopf. Als er wieder aufsah, war von dem Mann nichts mehr zu sehen. Der riesige Schnabel bewegte sich leicht. Mandra Korab stöhnte. Das Grauen dieser gräßlichen Welt hielt ihn wie eine Zange umklammert. Sein Körper bebte. Der Inder wußte mit Sicherheit, daß er der nächste war. Ein wenig neidete er Inspektor Sinclair die Bewußtlosigkeit. So brauchte er wenigstens nicht mit anzusehen, wie…
Korabs Gedanken stockten. Weit öffnete sich der Schnabel der Göttin. Etwas rutschte heraus. Ein Skelett! Die Knochen fielen auf den Altar. »Und nun zu dir!« hörte er die grauenhafte Stimme.
»Lange habe ich auf den Moment gewartet. Jetzt ist es soweit.«
Wieder begannen die Dämonen mit ihrem gräßlichen Geheul, leiteten den Beginn des Todesrituals ein. Für ihn, Mandra Korab! Pfeifend zog der Inder den Atem ein. Er hatte den Mund zu einem Schrei geöffnet, doch kein Laut kam über seine Lippen. Es war alles zu grauenhaft. Die Dämonenwelt kannte keine Gnade. Langsam senkte sich der Schnabel, öffnete sich eine Armlänge weit. Überdeutlich nahm der Inder das Bild in sich auf. Warum werde ich denn nicht ohnmächtig! schrie es in ihm. Warum denn nicht. Doch das Schicksal war nicht gnädig. Die gesichtslosen Wesen traten zurück, wollten sich an dem Schauspiel ergötzten. Ihr Gesang hatte aufgehört. Jetzt kam Kalhoris große Stunde. Jetzt endlich würde sie einen ihrer gefährlichsten Gegner vernichten. Die Schnabelspitze schwebte haargenau über Mandras Kopf. Der Inder roch die widerlichen Ausdünste. Zwei, drei Sekunden hatte er vielleicht noch zu leben. Dann war alles vorbei. Mandra Korab, der den Kampf mit der Dämonenwelt aufgenommen hatte, gab sich verloren…
***
Wie ein feiner Nadelstich drang der gellende Schrei des unglücklichen Opfers in John Sinclairs Bewußtsein. Der Inspektor öffnete die Augen. Dunkelheit umgab ihn. Im ersten Moment wollte John die Panik übermannen, doch dann arbeitete sein klarer Verstand. Die Ereignisse fielen ihm wieder ein. Er war in die Dämonenwelt geschleudert worden, hatte die gesichtslosen Wesen getroffen, und dann. Wo war er hier gelandet? Hatte man ihn vielleicht in die Hölle geschleift. Behutsam drehte John Sinclair den Kopf zur anderen Seite. Und da standen sie. Die Höllenknechte mit ihren metallisch schimmernden, unbewegten Gesichtern. Die gleichen Wesen, die auch John Sinclair überwältigt hatten. Stocksteif blieb der Inspektor liegen. Unter seinem Rücken fühlte er harten Stein. Ätzende Dämpfe stiegen in seine Nase. Er mußte zu den Dämonenwesen hinaufsehen, demnach lag er auf einer Erhöhung. Vielleicht auf einem Altar? Altar. Genau das war es. Und wer auf einem Dämonenaltar lag, würde geopfert werden. Als erstes
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