GK0098 - Bruderschaft des Satans
hin und erkannte, daß die Luft plötzlich anfing zu flimmern.
Ein grünliches Leuchten schwebte über der Türschwelle.
Unsichtbare Teile rieben gegeneinander. Funken sprühten.
Konturen wurden sichtbar.
Die Konturen eines Menschen.
Pierre stand starr vor Entsetzen auf seinem Platz. Er hatte die Person erkannt, die sich wie aus dem Nichts herauskristallisiert hatte.
Es war niemand anderes als Roger Moulin!
Wieder kamen Pierre die alten Sagen in den Sinn. Es hieß dort, daß die Mönche die Gestalt ihrer Opfer annehmen konnten. Und das war hier der Fall. Für Pierre gab es nun keinen Zweifel mehr, das die Teufelsmönche Roger Moulin ermordet hatten.
Moulin begann zu sprechen. Mit langsamer Stimme. Doch jedes Wort war klar und deutlich zu hören.
»Du willst den Kampf aufnehmen, Pierre Saval. Ich weiß es, streite es nicht ab. Doch ich warne dich. Die Mächte der Finsternis werden stärker sein. Du kannst nicht gegen sie ankämpfen. Der Kelch des Feuers, du wirst ihn nicht finden, er wird dir kein Glück bringen. Deshalb denke an meinen Rat. Geh von hier, solange es noch möglich ist. Morgen kann es vielleicht zu spät sein.«
Roger Moulin verstummte.
Pierre Saval wollte noch etwas fragen, doch plötzlich begann wieder das grüne Flimmern, und die Gestalt löste sich in nichts auf.
Pierre wandte sich um und ließ sich in einen Sessel fallen. Wie Echos dröhnten die Worte in seinem Kopf nach.
... flieh – flieh...
Pierre ballte die Hände zu Fäusten. Wenn er jetzt aufgab, dann waren viele Menschen hier in Billon verloren. Und war es nicht seine Pflicht, den Menschen zu helfen? Nein, er würde nicht aufgeben, sondern weiterkämpfen.
Entschlossen stand Pierre Saval auf. Im ersten Moment überlegte er, ob er nicht Germaine anrufen sollte. Dann ließ er es bleiben. Er würde ihr von unterwegs Bescheid geben.
Der Koffer war schnell gepackt. Als Pierre Saval eine Viertelstunde später startete, war er fest entschlossen, den finsteren Mächten die Stirn zu bieten.
Doch Pierre konnte nicht ahnen, was ihm noch bevorstand. Vielleicht hätte er dann doch den Rat des ›Toten‹ angenommen…
***
Inspektor Lefèvre erinnerte an den Filmschauspieler Jean Gabin.
Er hatte beinahe die gleiche Statur, und auch sein Gesicht wirkte wie aus Stein gemeißelt. Auf seinem kantigen Schädel hing ein speckiger Hut.
Lefèvre stemmte beide Hände in die Taschen seines abgetragenen Mantels. Die halb angerauchte Zigarette in seinem Mundwinkel verqualmte. »Ich bin jetzt achtzehn Jahre bei der Polizei, aber so etwas ist mir in meiner gesamten Laufbahn noch nicht vorgekommen. Ein Mord – schön und gut. Aber kein Motiv und keine Zeugen – nichts. Niemand will etwas gehört, geschweige denn gesehen haben.«
Bei dem Wort Zeugen war Pascal zusammengezuckt. Er dachte an Pierre Saval, der sich schon aus dem Staub gemacht hatte und den Pascal gar nicht hätte ziehen lassen dürfen.
Lefèvre seufzte. »Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als sämtliche Bewohner dieses Dorfes zu befragen. Und dazu kann ich mich schon jetzt beglückwünschen. Aber eins sage ich Ihnen, Pascal, allein mache ich die Arbeit nicht. Ich werde aus Colmar noch einige Leute anfordern. Die sitzen sowieso mit ihren dicken Hintern nur an den Schreibtischen rum und regen sich schon auf, wenn sie montags mal zwei Kalenderblätter abreißen müssen.«
Pascal wußte nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Zuviel beißende Ironie hatte in den Worten des Inspektors gelegen.
Lefèvre schlug Pascal auf die Schulter. »Kommen Sie, mein Lieber. In Ihrem Büro ist es gemütlicher als hier draußen. Da sind noch einige Unklarheiten.«
Unterwegs begegnete den Männern der schlaksige Muller, Lefèvres Stellvertreter. Diesem gab der Inspektor den Auftrag, noch einige Leute aus der Stadt herbeizutelefonieren.
Mullers Fuchsgesicht strahlte, als er das hörte. Er hatte auch schon Angst gehabt, daß die Arbeit an ihm hängen bleiben würde.
In Pascals Büro ließ sich der Inspektor ächzend auf einen Stuhl fallen und rieb sich mit einem ehemals weißen Taschentuch über die Stirn. »Ach, man ist eben nicht mehr der Jüngste.«
»Darf es ein Glas Roter sein?« fragte Pascal.
Lefèvre leckte sich die Lippen. »Da brauchen Sie mich erst gar nicht zu fragen. Die Luft ist sowieso viel zu trocken.«
Pascal holte aus dem Schrank eine Flasche und zwei Gläser.
Lefèvre leerte das erste in einem Zug. Dann schüttete er sich selbst nach.
»Also, wenn ich ehrlich sein soll,
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