GK0100 - Der See des Schreckens
dann zu packen, wenn es aus dem Wasser stieg.
Noch tat sich nichts. Schwarz und irgendwie regungslos lag der See vor Johns Augen.
Der Geister-Jäger tauchte in ein Gebüsch. Es wuchs auf einer kleinen Landzunge, die in das Wasser hineinragte. Sie war nur zur Hälfte bewachsen. Nach vorne hin war sie frei.
Von hier hatte John Sinclair einen fantastischen Ausblick über den See.
Der Geister-Jäger wollte noch warten. Er hatte sich eine Stunde als Frist gesetzt. War das Monster dann noch nicht aufgetaucht, wollte John Sinclair selbst den Ausflug in die Tiefe unternehmen. Erst einmal ohne Taucherausrüstung.
Die Armbrust hatte er neben sich auf den Boden gelegt. John hatte die Sehne geprüft und mit Erstaunen festgestellt, daß sie im Laufe der Jahrhunderte nichts von ihrer Spannkraft eingebüßt hatte. Auch der Pfeil, dessen Oberfläche oxidiert war, lag sicher auf dem langen Schaft.
John Sinclair duckte sich in ein Gebüsch und rauchte eine Zigarette in der hohlen Hand.
Die Panikschreie der Menschen hatten aufgehört. John hoffte inständig, daß die Leute Schutz gefunden hatten.
Die Zeit vertickte. Zweimal fuhr ein Wagen die Uferstraße entlang. Nur schwach hörte John das Brummen des Motors.
Doch auf einmal – ganz ohne Übergang – schien sich die Natur zu verändern.
Zuerst war es nur der auffrischende Wind, der über das Wasser strich und am Ufer die Zweige der Büsche gegeneinander rieb. Doch dann begann die Oberfläche des Sees in Bewegung zu geraten. Auslaufende Wellen klatschten gegen die kleine Landzunge.
John Sinclair verließ sein Versteck.
Der Wind jaulte über den See. Wellen wurden hochgeschleudert, Gischt spritzte.
Und dann begann das Wasser zu kreisen, wurde zu einem wirbelnden Strudel, der alles mit in eine unauslotbare dunkle Tiefe riß.
John Sinclair war fasziniert. Er spürte, daß etwas in der Luft lag, daß gleich, in den nächsten Sekunden, etwas geschehen würde, was über den Verstand eines Menschen geht.
Dann tauchte das Monster auf!
Jahrhundertelang hatte es in den Fluten des Sees dahingedämmert. Jetzt war der Fluch gelöscht und es konnte sein eigentliches Werk vollenden.
Zuerst sah John zwei riesige Arme, die sich langsam aus den Fluten hoben. Die Arme, die Hände, alles war von einem silbrig grünen Lichtschimmer umgeben, der die Umrisse des unheimlichen Monsters haarscharf nachzeichnete.
Es folgte der Kopf. Ein Ungetüm von Schädel, mit riesigen grün-gelb schimmernden Augen, die weit aus der Fratze hervorquollen und in rastloser Bewegung waren. Das Monster hatte strähnige lange Haare, die mit Tang und Schlick zu einem undurchdringlichen Filz verwoben waren. Das Maul klaffte weit auseinander. Ein riesiger Schlund, der alles in sich hineinzog.
Der Körper war über und über mit einer Schuppenhaut bedeckt, die selbst Maschinengewehrkugeln standhielt.
Es war ein grauenerregender Anblick. Turmhoch kam John diese gräßliche Kreatur vor. Die Beine des Monsters peitschten das Wasser, und plötzlich drang aus dem offenen Maul des Höllenwesens ein schauriger Siegesschrei, der einem Menschen das Blut in den Adern gefrieren ließ.
Weit hallte der Schrei über den See und verlor sich in den Bergen als rollendes Echo.
Schwer stampfte das Monster durch das Wasser. Die Arme wirbelten wie Dreschflegel, durchpflügten die Oberfläche des Sees.
Das Wasser schien zu kochen. Welle auf Welle klatschte gegen das Ufer.
Für einige Zeit hatte der Geister-Jäger ganz im Bann dieser Horror-Gestalt gestanden, doch dann siegte Johns Wille.
Er mußte das Monster vernichten! Koste es, was es wolle.
Mit Schrecken dachte er daran, wenn es dem Untier gelang, in die Stadt einzudringen. Die Menschen waren alle dem Tod geweiht.
John kam sich beinahe lächerlich mit seiner Armbrust vor, wenn er davon ausging, daß ein einziger Pfeil diese Kreatur töten sollte.
Doch er mußte es versuchen.
John Sinclair packte die Armbrust, drückte den Kolben fest gegen die Schulter.
Noch nie hatte er mit solch einer Waffe geschossen. Er hatte es zwar auf vielen Abbildungen gesehen, aber selbst…
Johns Arme zitterten. Breitbeinig stand der Geister-Jäger auf der schmalen Landzunge, seine Hacken hatten sich in den weichen Boden eingegraben, suchten den besten Stand. Mit dem Mittel- und Zeigefinger der rechten Hand zog John die Sehne zurück. Er spürte die Spannung, die ungeheure Kraft, die hinter der Sehne lag, und geriet für einen kurzen Augenblick in Panik. Er hatte Angst, daß er es diesmal nicht
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