GK0100 - Der See des Schreckens
entrissen.
Der Tote nahm die Verfolgung auf.
Im gleichen Augenblick stolperte Ginnys Retter über ein dicht am Boden gespanntes Zeltseil.
Der Mann fiel hin.
Und schon war die Bestie da. Ginny sah nicht, was der Tote mit ihrem Retter anstellte. In blinder Panik hetzte sie davon.
Überall rannten schreiend und brüllend die Menschen aus den Zelten. Und die gräßlichen Toten verfolgten sie. Es war wie in einem Horror-Film. Nur war dies hier schreckliche Wirklichkeit.
»Wir müssen ins Hotel!« hörte Ginny plötzlich eine Männerstimme brüllen.
Als sei diese Stimme ein Signal gewesen, schüttelten die Menschen plötzlich die sinnlose Panik ab und rannten in Richtung des nächstliegenden Hotels.
Es war das Sea-View , das Haus, in dem auch John Sinclair und Bill Conolly sich eingemietet hatten.
Ginny war eine der ersten. Noch immer hatte sie es nicht geschafft, ihre Jeans anzuziehen. Barfuß, und nur mit Pulli und Slip bekleidet, hetzte sie durch die Nacht.
Aber darauf achtete jetzt niemand. Jeder hatte mit sich selbst zu tun.
Der hellerleuchtete Eingang des Hotels tauchte auf. Die ersten Menschen rüttelten schon an der Glastür.
Sie war verschlossen.
Die Schreie der Enttäuschten zerfetzten die Nacht. In der Halle standen zwei Portiers. Sie schlossen die Tür nicht auf. Die ersten Gäste wurden wach. Fenster klappten auf. Wieder brüllten Menschen.
Steine flogen.
Sie knallten gegen die Scheiben. Doch das Glas hielt. Es war schlag- und schußsicher.
Die geflohenen und verzweifelten Menschen hatten keine Chance. Und die mordenden Leichen kamen immer näher…
***
Bill Conolly fand keinen Schlaf. Unruhig wanderte er in seinem Zimmer auf und ab. In der rechten Hand hielt er ein halbvolles Whiskyglas. Hin und wieder nahm er einen Schluck des goldbraunen Getränks.
Bill machte sich Vorwürfe. Er hätte sich nicht von John überreden lassen sollen. Er hätte mitgehen sollen, mitkämpfen. Hätte, hätte, hätte…
Nahezu wütend trank Bill sein Glas leer und griff zu den Zigaretten.
Rauchend trat er ans Fenster.
Sein Zimmer lag im vierten Stock, und er hatte von hier einen fantastischen Blick über den See, der jetzt allerdings nur zu erahnen war.
Im Hotel war es still. Bill hatte den Aschenbecher in die linke Hand genommen und drückte die Zigarette aus.
Ich warte noch eine viertel Stunde, nahm er sich vor, dann gehe ich John suchen.
Der Reporter wollte sich gerade vom Fenster abwenden, als er die Schreie hörte.
Lauschend blieb Bill Conolly stehen.
Kein Zweifel, das waren Schreie. Gellend, markerschütternd. So schrien nur Menschen in höchster Not.
Da war irgend etwas passiert.
Bill riß das Fenster auf. Weit lehnte er sich nach draußen. Jetzt hörte er die Schreie deutlicher. Sie kamen vom Zeltplatz her und wurden immer lauter.
Bill lief ein Schauer über den Rücken. Das waren viele Menschen, die dort angelaufen kamen. Menschen in Panik.
Bill Conolly ahnte Schreckliches. Und er nahm an, daß die Verzweifelten vor etwas Schutz suchen wollten. Schutz in diesem Hotel.
Für den Reporter gab es kein Halten mehr. Er holte sein Jackett aus dem Schrank und warf es sich über. Er nahm sich nicht erst die Zeit, die Pistolenhalfter umzuschnallen, sondern steckte seine Waffe – eine Beretta – kurzerhand in die Jackentasche, die durch das Gewicht nach unten gezogen wurde.
Bill lief auf den Gang.
Er war nicht der einzige, der die Tür aufgezogen hatte. Andere Gäste hatten ebenfalls die Schreie gehört. Sie standen herum, blickten sich an und waren ratlos.
Natürlich war kein Lift oben.
Bill nahm die Treppe, sprang drei, vier Stufen auf einmal herunter.
Er raste in die Empfangshalle.
Dort standen die Portiers mit blassen Gesichtern und starrten durch die große Scheibe der Eingangstür, vor der sich halbbekleidete, schutzsuchende Menschen zusammengeballt hatten.
Bill sah angstverzerrte Gesichter. Augen, in denen das nackte Grauen und die Panik geschrieben stand.
Steine knallten gegen das Glas.
Bill riß einen der Portiers an der Schulter herum. »Warum lassen Sie die Leute nicht rein?« schrie er.
Der Portier, ein Mann mit rotem aufgedunsenen Gesicht, zuckte die Achseln.
»Diesen Pöbel? Aber Sir…«
Bill Conolly konnte sich nur mit Mühe beherrschen. Am liebsten hätte er dem Portier seine Faust in das feiste Gesicht gesetzt. »Ich will Ihnen mal was sagen, Mann«, sagte er mit vor unterdrückter Wut bebender Stimme. »Das ist kein Pöbel, das sind Menschen, die Angst haben. Angst,
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