GK0129 - Das Phantom von Soho
abgeschlossen. Sollte er gewinnen, würde sie die Nacht in seiner Wohnung verbringen. War es aber umgekehrt, konnte Ronald Warren höchstens Trost bei einer Flasche suchen und auf eine Revanche hoffen.
Die Rothaarige spielte Warren gegen die Wand. Er bekam kein Bein mehr auf die Erde und verlor den Satz hoch.
Obwohl Ronald Warren für sein Leben gern Tennis spielte, hatte er an diesem Spätnachmittag kein Glück. Die Rothaarige war erst seit einigen Tagen im Verein. Sie war Französin, kam direkt aus Paris und wirkte auf die männlichen Mitglieder des Tennisclubs wie das rote Tuch auf einen Stier.
Der Verein hatte Geld und konnte daher auch im Winter eine Halle mieten, um seinen Mitgliedern Gelegenheit zum Spielen zu geben.
Ronald Warren war die Frau schon beim erstenmal aufgefallen. Da er immer noch Junggeselle war, kam ihm diese Rothaarige gerade richtig. Heute hatte er sie endlich soweit gehabt, doch da hatte sie das Spiel vorgeschlagen und prompt hatte Ronald Warren verloren.
»Das wär’s wohl«, sagte die Rothaarige und warf ihre Tennisbälle einem Balljungen zu. »Sehen wir uns nachher noch?« fragte sie.
»Ich weiß noch nicht«, brummte Warren, dem der Ärger über das entgangene Vergnügen die Galle hochtrieb.
»Dann eben nicht«, sagte die Rothaarige. Im Weggehen rief sie dann noch: »Ich gebe Ihnen selbstverständlich Revanche, Mister Warren. Das ist doch klar. Übrigens bleibt mein Angebot auch bestehen.« Wenig später fiel die Tür der Duschkabine hinter ihr zu.
»Verdammtes Biest«, knurrte Warren. »Aber dich kriege ich noch klein. Warte nur ab.«
Ronald Warren ließ nichts anbrennen. Er war vor einigen Tagen 50 geworden und somit in ein Alter gekommen, in dem man noch alles mitnehmen mußte. Er hatte eine gute Position in einer Stahlfirma, entsprechend dotiert, und danach richtete sich auch sein Leben. Ronald Warren liebte den Luxus. Er mußte immer das Beste haben, und das bezog sich auf die Frauen. Das Penthouse in der Hollen Street war eine Wucht, und er bewohnte es auch erst seit einem Jahr.
Warren sah für sein Alter noch sehr gut aus. Das Haar war grau, wellig und leicht über den Ohren. Ein privates Solarium sorgte immer für die nötige Sonnenbräune. Insgesamt gesehen war Ronald Warren eine sehr gepflegte Erscheinung.
Selbst eine Heiß- und Kaltdusche konnte seinen Ärger über das verlorene Spiel und den somit verpatzten Abend nicht vertreiben. Fünf Minuten blieb Warren unter der Dusche. Dann trocknete er sich ab und föhnte die nassen Haare. Schließlich streifte er den beigen Rollkragenpullover über und stieg in seine Sportkombination. Bevor er nach Hause fuhr, wollte er in der Bar noch einen kleinen Schluck trinken.
Bis auf zwei Männer, die in ein Gespräch vertieft waren, war die Bar leer. Die hufeisenförmige Theke glänzte im Licht der Punktstrahler. Der Mixer langweilte sich und las in einer Zeitung.
Als Ronald Warren auf dem lederbezogenen Hocker Platz nahm, legte er die Zeitung weg, setzte sein Berufslächeln auf, und fragte nach den Wünschen seines neuen Gastes.
»Einen Manhattan!«
»Sofort, Sir.«
Ronald Warren zündete sich eine Zigarette an, stieß den Rauch durch die Nasenlöcher aus, und da fiel ihm auf einmal ein, daß er den gesamten Tag über noch nicht dazu gekommen war, in eine Zeitung zu sehen.
»Sie gestatten doch«, sagte Warren und griff nach der Zeitung des Mixers.
»Natürlich, Sir.« Der Mixer servierte Warren den Manhattan, was dieser mit einem Kopfnicken quittierte.
Die erste Seite – sie beschäftigte sich mit Politik – überflog Warren nur. Ihn interessierten mehr die Wirtschaftsberichte.
Warren hatte sich inzwischen einen zweiten Manhattan bestellt, als er den Londoner Lokalteil vor sich liegen hatte.
Und da sprang ihm die Schlagzeile ins Auge.
FEIGER MORD AN EINEM EHEMALIGEN RICHTER
Ronald Warren wurde zusehends blasser, als er den Artikel las. Aufgeregt huschte seine Zunge über die spröden Lippen. Was er dort las, ließ ihm die Haare zu Berge stehen.
Richter Hugh Crayton! Als wäre es erst gestern gewesen, so gut konnte er sich noch an den Mann erinnern. Plötzlich sah er die Szene im Gerichtssaal wieder vor sich, den Angeklagten Monty Parker, und er erinnerte sich auch an den Racheschwur, den das Phantom ausgestoßen hatte.
Warren trank hastig sein Glas leer und legte die Zeitung weg. Automatisch zündete er sich eine Zigarette an.
Der Mixer kam und faltete die Zeitung zusammen. Prüfend sah er Warren ins Gesicht.
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