GK0129 - Das Phantom von Soho
steht mit dem Teufel im Bunde. Und wer sich an den Satan verkauft hat, ist noch nie gut dabei gefahren.«
»Wir werden uns an Ihre Anordnungen halten, Sir«, sagten die beiden Wärter fast synchron.
»Dann bin ich ja beruhigt.«
Der Abschied fiel hastig aus, denn John Sinclair hatte es plötzlich mehr als eilig.
Er und Powell liefen mit langen Schritten auf den Bentley zu. Sie sahen nicht das teuflische Lächeln auf den Lippen des Direktors, als er ihnen nachblickte…
***
Die Wischer des Jaguars zirkelten Halbkreise über die getönte Frontscheibe. Heizung und Gebläse liefen auf Hochtouren, und Ronald Warren hatte sich entspannt in seinem Schalensitz zurückgelehnt.
Unter den breiten Reifen des Wagens knirschten Schneematsch und Streusalz. Während Ronald Warren den Jaguar über die breite Straße lenkte, schweiften seine Gedanken ab.
War es überhaupt richtig, daß er um diese Zeit noch zu dem Staatsanwalt fuhr? Vielleicht lebte er schon gar nicht mehr. Aber wenn das Phantom ihn noch nicht erwischt hatte, dann stand er bestimmt unter Bewachung. Warum sich also nicht mit anhängen? sagte sich Warren und fuhr weiter.
Er drehte den Knopf des Radios. Tanzmusik schallte ihm entgegen. Warren stellte das Radio wieder ab. Er war jetzt nicht in der Stimmung, sich diese Art von Musik anhören zu können.
Auf den Nebenstraßen lag der Schnee knöcheltief. An der Oberfläche war er noch weiß und glitzerte. Doch dicht über dem Asphalt war er nur noch Matsch. Tückisch für die Wagen.
Auch Ronald Warren kam zweimal etwas ins Schleudern, doch er konnte den Jaguar immer wieder gut abfangen. Außerdem herrschte kein Gegenverkehr. Wer bei diesem Wetter nicht unbedingt nach draußen mußte, blieb in den eigenen vier Wänden. Selten hatte man die Londoner Straßen so leer gesehen.
Und immer noch wirbelten die Flocken, klebten an der breiten Fensterscheibe und wurden noch in der gleichen Sekunde von den breiten Gummiwischern weggefegt.
Ronald Warren hatte immer angenommen, London zu kennen, mußte sich jedoch diesmal eines Besseren belehren lassen. Zweimal fuhr er an den Straßenrand, um im Stadtplan nachsehen zu können. Die kleine Straße, in der Staatsanwalt Mansing wohnte, lag auch zu versteckt.
Schließlich hatte Ronald Warren sein Ziel erreicht. Im Schritttempo bog der Jaguar in die ruhige Seitenstraße ein, und wenig später hatte Warren auch die Hausnummer 16 gefunden.
Er stoppte.
Vor dem Haus parkten zwei Wagen. Sie waren unter einem Schneeberg versteckt.
Nach Polizeischutz sieht das aber nicht gerade aus, dachte Warren, griff nach seinem Mantel und stieg aus.
Das dunkelbraune Nutriafell hielt die Kälte ab. Ronald Warren ging auf das kleine Tor des Vorgartens zu. Schneeflocken klebten auf dem Mantel.
Im Haus brannte Licht. Zwei erleuchtete Fenster schimmerten wie gelbe Flecken aus dem tanzenden Schneewirbel und gaben dem Betrachter das Gefühl von Wärme und Geborgenheit.
Ronald Warren schob den Riegel des Tores zurück, betrat den dickverschneiten Plattenweg und schloß das Tor wieder hinter sich ab.
Nach zwei Schritten hatte er plötzlich das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Warren blieb stehen.
»Ist da jemand?« fragte er. Seine Stimme klang zaghaft.
Nichts rührte sich. Und doch war Ronald Warren sicher, sich nicht getäuscht zu haben. Trotz des wärmenden Mantels fror er plötzlich. Instinktiv spürte er die Gefahr, die in der Dunkelheit auf ihn lauerte. Seine Nerven arbeiteten wie empfindliche Sensoren.
Ronald Warren drehte sich im Kreis. Er wischte sich die Schneeflocken aus dem Gesicht, versuchte, die Dunkelheit mit seinen Blicken zu durchdringen.
Tanzender Flockenwirbel hüllte ihn ein, und schon bald brannten seine Augen.
»Jetzt mach ich mir schon selbst was vor«, brummte Warren und ging weiter.
Da hörte er das Kichern!
Abrupt blieb der Mann stehen.
Das Geräusch war von rechts gekommen, dort, wo auch einige Bäume standen, deren kahle Äste sich unter der Schneelast bogen.
Warren zögerte. Er konnte jetzt zum Haus laufen, und er wäre in Sicherheit gewesen. Doch das Handeln wurde Ronald Warren aus der Hand genommen.
Plötzlich sah er die Gestalt vor sich. Es war nicht mehr als ein Schemen, das im Schneegestöber lauerte und bald eins mit den wirbelnden Flocken wurde.
Die Gestalt stand vor ihm, hatte den Weg zum Haus versperrt. Und Ronald Warren sah das Messer in der Hand des Geistes. Da wußte er, daß er das Phantom von Soho vor sich hatte.
Warren begann zu zittern.
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