GK0134 - Die Drachenburg
halten.
Am Himmel ballten sich dunkle Wolken zusammen. Der Wetterumschwung war da. Die Temperatur sank. Bald würden die ersten Schneeböen über Land und Meer pfeifen. John hoffte, daß er bis dahin die Insel erreicht hatte.
Immer wieder spritzen Gischtfontänen über. Die Schutzscheibe hielt nur das Nötigste ab.
Zum Glück wurde John nicht seekrank. Mit eisernen Fäusten hielt er das Ruder umklammert.
Die Zeit verrann. Eine Stunde, zwei…
John hatte schon Angst, vom Kurs abgekommen zu sein, da sah er plötzlich die Umrisse eines wildzerklüfteten Geländes aus den tiefhängenden Wolkenschleiern auftauchen.
Die Dracheninsel.
John Sinclair hatte sein Ziel erreicht…
***
Es war gar nicht so einfach, das Boot zwischen den der Insel vorgelagerten Klippen hindurchzusteuern, doch John schaffte mit Geschick und Geduld auch diese schwierige Hürde.
Eine kleine Bucht fiel dem Oberinspektor ins Auge. Sie schnitt wie ein langer Finger in das Innere der Insel ein und war auch gegen die stetig anrollende Brandung geschützt.
John Sinclair entkam den schäumenden Brandungswellen und lenkte das Boot schon bald in das ruhige Wasser der kleinen natürlichen Bucht.
Er fand eine Stelle, wo er das Boot an Land ziehen konnte. Es war eine Höllenarbeit, und John stand bis zu den Knien im kalten Wasser. Doch dann hatte er den Kiel auf das kleine Stück Strand geschoben und band die Bootsleine sicherheitshalber noch einmal um einen in der Nähe liegenden Felsblock.
Jetzt sah sich John Sinclair um.
Der erste Eindruck von der Dracheninsel war deprimierend. Es herrschte eine kalte, unheimliche Atmosphäre. Nicht ein Vogel kreiste über den Klippen. Es wuchs kein Baum, kein Gras – nichts. Nur von Wind und Wetter blankgefegte Felsen.
Und der ewige Wind, der seine schaurige Melodie jaulte.
John fröstelte, aber das kam nicht nur allein von dem kalten Wetter. Es hatte mittlerweile zu regnen begonnen. Fast waagerecht fegte der Wind die Regenschleier vor sich her. Es war schon mehr ein Schneeregen, und die kleinen Tropfen drückten wie winzige Messerstiche gegen Johns Gesicht.
Der Oberinspektor zog die gefütterte Kapuze seiner Windjacke über den Kopf und machte sich auf den Weg, um die Drachenburg zu finden.
Er hatte so gut wie keine topographischen Angaben. Die Militärs hatten ihm zwar einen Grundriß der Insel gezeigt, das war aber auch alles. Über Geländeformen und -arten wußte John gar nichts. Auch über die Burg hatte man ihm nichts sagen können. Gesehen hatte sie kaum jemand, meistens lagen die Gipfel der Berge sowieso im Nebel.
John suchte nach einem Pfad oder schmalen Weg und fand ihn auch. Es war derselbe Weg, den auch Sandra Lee benutzt hatte und der direkt zur Drachenburg führte.
Regenböen ließen nur eine geringe Sichtweite zu. John Sinclair, der das Terrain nicht kannte, hatte Mühe, voranzukommen. Immer wieder mußte er Felsbrocken ausweichen und geriet dabei oft an die bedrohliche Nähe des Abgrundes.
Der schmale Pfad stieg weiter an. Felszinnen türmten sich vor John Sinclair in den verwaschenen Nebelhimmel. Sie waren mit Moos und Flechten bewachsen und hatten durch die Nässe eine glitschige Oberfläche bekommen.
Der Oberinspektor hatte eine Stablampe mitgenommen, die er ab und zu anknipste. Der helle Strahl kämpfte gegen die milchigen Schleier an und gestattete dem einsamen Mann wenigstens, das Nötigste zu erkennen.
Zeit spielte keine Rolle mehr. John war nur noch von dem Gedanken beseelt, die Drachenburg zu finden.
Und dann gähnte John plötzlich der Eingang der finsteren Schlucht entgegen.
Der Oberinspektor verhielt seinen Schritt. Wie auch Sandra Lee bereitete es ihm körperliches Unbehagen, die Schlucht zu betreten. Aber es ging kein Weg daran vorbei. Zu beiden Seiten türmten sich haushohe Felsen. Steinerne Giganten am Tor zur Hölle.
Nicht ein einziger Schimmer Tageslicht drang in die finstere Schlucht. Die Felswände rückten enger zusammen, und John hatte mehr als einmal das Gefühl, von ihnen erdrückt zu werden.
Eine nie gekannte Beklemmung breitete sich in ihm aus. Was würde ihn am Ende der Schlucht erwarten?
Still war es. Selbst das Heulen des Windes drang nicht mehr an Johns Ohren. Es schien, als halte sogar die Natur den Atem an, als bereite sie sich auf etwas Schreckliches vor, das unweigerlich kommen mußte.
Yard für Yard schritt John weiter. Dabei hatte er das Gefühl, die Schlucht würde überhaupt kein Ende nehmen. Die brennende Taschenlampe hielt er in der rechten
Weitere Kostenlose Bücher