GK0134 - Die Drachenburg
Anschnallgurte.
Jack Sturgess grinste den Oberinspektor an. »Na, wie fühlen Sie sich?«
John grinste zurück. »Etwas wackelig, aber immerhin.«
Der Pilot lachte. Er half John beim Lösen der Sicherheitsgurte. Auf der Rollbahn warteten bereits die Mechaniker. Als John hinter Jack Sturgess aus dem Flugzeug kletterte, fauchte der Wind durch seine Haare. Das Wetter hatte sich verschlechtert, und John sah schon schwarz für seinen Ausflug zur Dracheninsel.
In der Kommandeursbaracke machte der Pilot Meldung. Der Commander, ein mittelgroßer Mann mit glattrasiertem Schnäuzer, nickte wohlwollend. Dann wandte er sich John Sinclair zu.
»Ihre Ankunft ist uns bereits avisiert worden. Seien Sie willkommen am Ende der Welt, wie wir sagen. Allerdings was den Grund Ihres Besuches betrifft, hat man sehr geheimnisvoll getan. Sind Sie mit einem Spezialauftrag unterwegs?«
»So ungefähr, Sir.«
»Na, ich will nicht weiter in Sie dringen. Sie ziehen sich jetzt am besten um. Draußen wartet bereits wie abgemacht ein Wagen, der Sie zum Hafen bringt. Ich wünsche Ihnen für Ihre Aufgabe viel Glück.«
»Danke, Sir!«
Wenige Minuten später hockte John mit angezogenen Beinen in dem grünen Militärjeep. Der Fahrer fuhr wie der Teufel persönlich. John sah nicht viel von der Landschaft. Wiesen, Felsen und ab und zu eine weidende Schafherde.
Sie passierten einige Dörfer und hatten die kleine Hafenstadt St. Barbara erreicht. Hier legte auch die Fähre an, das einzige Verbindungsglied zwischen den Inseln.
John schnappte sich seinen Koffer und stieg aus. Der Fahrer tippte noch mal kurz gegen seinen Mützenschirm und fuhr ebenso schnell zurück, wie er auch gekommen war.
John stand nicht weit von der Kaimauer entfernt. Die grüngrauen Wellen der See klatschten gegen die Betonfestung. Fischerboote schaukelten auf den Wellen. Ab und zu sah John auch einen Motorkahn zwischen den Holzbooten auftauchen.
Nach einem Bootsverleih suchte er vergebens. Wenigstens konnte er kein Schild entdecken.
»Suchen Sie was, Mister?« hörte John plötzlich neben sich eine helle Jungenstimme.
Der Oberinspektor wandte den Kopf. Ein pfiffiges sommersprossiges Gesicht sah ihn an. Der Junge trug eine viel zu große Mütze, und hätte er keine abstehenden Ohren gehabt, wäre ihm die Mütze sicherlich über die Augen gerutscht. Die Hände hatte der zukünftige Seemann in den Taschen seiner weit ausgestellten Hose vergraben.
»Du hast eine gute Beobachtungsgabe, wie?« fragte John zurück.
»Man tut, was man kann, Mister«, erwiderte der Junge altklug.
John lächelte. »Ich suche tatsächlich etwas. Und zwar ein Boot. Ich möchte mir eines leihen.«
Die Augen des Jungen wurden groß. Er legte den Kopf schief und fragte: »Sind Sie lebensmüde, Mister?«
»Nein, wieso?«
»Weil hier bald der Teufel los sein wird. Da braut sich im Westen ein Unwetter zusammen, das sich gewaschen hat. Also wenn Sie mich fragen, Mister, ich würde mich in ein Gasthaus verkriechen und vollaufen lassen.«
»Ich brauche das Boot aber.«
»Sagen Sie hinterher nur nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt, falls Sie das noch können.« Der Junge schob die Mütze aus der Stirn und zeigte mit dem rechten Arm schräg über seine Schulter. »Da hinten in der Holzbude wohnt Old Kilroy, der verleiht Boote. Bestellen Sie ihm einen schönen Gruß von mir.«
»Brauche ich gar nicht. Du hast dir deine Provision schon so verdient.« John drückte dem Jungen zwei Geldstücke in die Hand.
»Schade, Mister, daß Sie bald bei den Fischen sind. Ich hätte mich gerne noch mit Ihnen unterhalten.«
John lachte noch, als er bereits an die Tür der Holzbude klopfte. Bude war wirklich der richtige Ausdruck. Die Bleibe war aus rohen Fichtenstämmen zusammengezimmert worden. Aus dem. Schornstein stieg ein graugelber Rauchfaden, der augenblicklich vom Wind zerfasert wurde. Über der Tür hing ein Blechschild mit der Aufschrift: Kilroy’s Bootsverleih.
»Kommen Sie rein, die Tür ist offen«, rief im Inneren des Hauses eine rauhe Stimme. »Ich hab schon gesehen, wer Sie geschickt hat, Mister.«
John öffnete die Tür und mußte gleich den Kopf einziehen. Ein Fischernetz baumelte vor seinen Augen. Es war nicht das einzige. Wohin das Auge auch sah, überall lagen nur Netze. Und Old Kilroy hockte auf einer Bank und flickte ebenfalls an einem Netz.
Es dauerte einige Sekunden, bis sich Johns Augen an die herrschenden Lichtverhältnisse gewöhnt hatte. Dann aber konnte er den Bootsverleiher genauer
Weitere Kostenlose Bücher