GK0144 - Die Todesgondel
das ebene Land. Schon bald tauchten die Lichter von Mestre auf. Der Verkehr nahm etwas ab, und John konnte Gas geben. Er hatte das Seitenfenster ein Stück heruntergekurbelt, und die salzig schmeckende Luft erinnerte ihn an die Nähe des Meeres.
Der Geisterjäger erreichte die Küste. Über einen Damm ging es weiter bis Venedig. Peitschenlampen säumten den Weg, dazwischen riesige Reklameschilder.
Nach etwas mehr als einer Stunde Fahrt hatte John Sinclair Venedig erreicht.
Er parkte seinen Wagen in der Großgarage gegenüber dem Bahnhof und ließ sich dann von einem Motorboot-Taxi zum ATLANTA bringen.
Das Hotel war ein Prachtbau. Schon allein die Größe der Empfangshalle hätte einem mittleren Flughafen zur Ehre gereicht.
John ging zur Rezeption.
Ein älterer Mann mit dem berufsmäßigen Lächeln eines Hotelangestellten fragte ihn nach seinen Wünschen.
»Ich bin mit Signor Conolly verabredet«, sagte John.
»Augenblick, Signor.«
Der Hotelmensch wandte sich ab, suchte in dem Schlüsselkasten herum, nahm einen Zettel heraus und legte ihn vor John auf das Palisanderholz der Rezeption.
»Für Sie ist eine Nachricht hinterlassen worden, Signor«, sagte er überflüssigerweise.
John nahm den Zettel und las.
»Ruf bitte Sheila an. Zimmernummer 23. Ich bin bald wieder zurück.«
John nickte. Das war Bills Handschrift. Dann wandte er sich an den Hotelangestellten. »Geben Sie mir bitte eine Verbindung mit Zimmer dreiundzwanzig.«
»Wie Sie wünschen, Signor. Dort steht der Apparat.« Der Mann deutete auf einen türkisfarbenen Telefonapparat, der in den Rezeptionstresen eingebaut war.
John ging ein paar Schritte weiter. Der Rezeptionsangestellte drückte auf einigen Tasten herum, und John wartete auf das Summen.
Erwartete vergebens.
Der Mann hob die Schultern. »Es tut mir leid, aber im Zimmer meldet sich niemand.«
John biß sich auf die Lippen.
Der Hotelangestellte faltete die Hände wie ein Mönch. »Vielleicht ist die Dame in die Bar gegangen oder eingeschlafen.«
John nickte. »Ja, das wären zwei Möglichkeiten. Aber ich werde doch selbst nachsehen.«
»Wie Sie wünschen, Signor. Zweite Etage bitte.«
John nahm den Lift und drückte dem Boy ein paar Lira in die Hand. Er hatte am Londoner Flughafen noch etwas Geld gewechselt.
Lautlos schoben sich die Türen des Lifts auseinander. John betrat den Gang, orientierte sich kurz und hatte die Zimmertür schnell gefunden.
Er klopfte.
Keine Reaktion.
John runzelte die Stirn, versuchte es noch einmal.
Wieder meldete sich Sheila nicht.
Ein Hotelgast kam den Gang entlanggeschlendert. Er bedachte John mit einem mißtrauischen Blick, verschwand aber dann in seinem Zimmer.
John Sinclair spürte plötzlich, daß etwas nicht stimmte. Dieser sechste Sinn hatte sich in den Jahren entwickelt.
Kurzentschlossen legte John seine Hand auf die Klinke. Er wunderte sich, daß die Tür nicht abgeschlossen war.
Dann stand John im Raum.
Scharf zog er die Luft ein. Mit einem Blick sah er, was geschehen war.
Sheila Conolly mußte entführt worden sein. Alle Anzeichen deuteten daraufhin.
Ein Tisch und ein Stuhl lagen am Boden. Aus einem Sektkübel lugte noch der Hals eine Flasche. Das dazugehörige Glas lag auf der Couch. Mit zwei Schritten war John beim Telefon. Und sofort fiel ihm der Zettel auf, der zur Hälfte unter den Apparat geklemmt war. John zog ihn hervor und las die Adresse. Via Dormena 48. Sheila hatte die Zeilen geschrieben. Aber weshalb?
John, der erst vor gut einer Stunde in Venedig eingetroffen war, wußte, daß er allein nichts unternehmen konnte. Er stellte eine Verbindung mit der Rezeption her.
»Hier Sinclair«, sagte John. »Bitte, verbinden Sie mich mit Commissario Tolini.«
Der Knabe an der Rezeption war erst sprachlos, tat aber dann seine Pflicht.
John zog sich einen Stuhl heran und ließ sich neben dem Telefon darauf nieder. Bill hatte wahrlich nicht übertrieben. Diese goldenen Masken arbeiteten schnell und glatt. Und jetzt hatten sie noch Sheila Conolly in ihren Klauen.
Gab es überhaupt für sie noch eine Chance?
***
Mario Stefani blieb plötzlich stehen und ergriff Bills Arm. Verwundert drehte der Reporter den Kopf.
»Was ist?« fragte Bill.
»Haben Sie eigentlich eine Waffe?«
Bills Augen verengten sich. »Sie meinen eine Pistole oder einen Revolver.«
»Ja.«
Der Reporter schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, aber ich bin mit meiner Frau in Venedig, um Urlaub zu machen.« Bill hob die Schultern. »Lieber Himmel, ich hab’
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