GK0148 - Der Voodoo-Mörder
Untoten wurde um eine Idee schärfer.
»Aber das kostet Kraft. Ich – ich kann keine Beschwörung mehr durchführen.«
»Ich werde dir helfen. Beeile dich, der Tag fängt bald an.«
»Ja. Ich werde tun, was du verlangst.« Mit schweren Schritten ging Jory zum Schrank und öffnete die Tür. Er nahm die nächste Puppe aus der Reihe in die Hand. Und plötzlich hatte er den Wunsch, dieses Teufelswerk einfach zu zertreten.
Doch dann fehlte ihm der Mut. Außerdem steckte Victor Jory schon viel zu tief in diesem gefährlichen Sumpf, aus dem es für ihn kein Entrinnen gab.
***
Henry Bolz war Totengräber.
Er stammte aus Deutschland, war nach dem Krieg in englische Gefangenschaft geraten und nach der Entlassung auf der Insel geblieben. Er hatte eine Engländerin kennengelernt, sie geheiratet und mittlerweile schon erwachsene Kinder. Der älteste Sohn studierte Medizin.
Bolz war zufrieden mit seinem Job. Ihm redete niemand rein, und die Toten konnten ja bekanntlich nicht sprechen.
Auch an diesem Aprilmorgen stand er wie immer um fünf Uhr auf. Er ließ sich von seiner Frau das Frühstück zubereiten und aß schweigend, während er ab und zu einen Blick in die Zeitung warf.
Mrs. Bolz saß ihrem Mann gegenüber und beobachtete ihn schweigend. Es war jeden Morgen das gleiche Spiel. In den langen Ehejahren hatte man sich eigentlich nicht mehr viel zu sagen, man verstand sich auch so.
Henry Bolz sprach eigentlich nie viel. Doch was er sagte, hatte Hand und Fuß. Man konnte sich jederzeit auf ihn verlassen, etwas Seltenes in der heutigen Zeit.
Schließlich faltete Bolz die Zeitung zusammen, schob die Tasse zurück und schlüpfte in seine derbe Wetterjacke.
»Habe das Gefühl, daß es heute noch Regen gibt«, meinte er zu seiner Frau beim Abschied. »Ich werde mich deshalb etwas beeilen. Du brauchst mit dem Essen nicht auf mich zu warten. Ich arbeite durch.«
»Das mußt du wissen, Henry.«
Henry Bolz nickte seiner Gattin noch einmal zu und schloß die Wohnungstür auf.
Der Totengräber wohnte über der Leichenhalle. Er hatte hier vier Zimmer und brauchte nur sehr wenig Miete zu zahlen. Denn wer wohnte schon gern auf Tuchfühlung mit Leichen?
Henry Bolz verließ die Leichenhalle auf der Rückseite, ging über einen schmalen Pfad und gelangte dann zu einem Geräteschuppen. Er holte sich dort eine Schubkarre, lud eine Schaufel und einen Spaten auf und schob die Karre vor sich her auf den Hauptweg zu.
Es war kühl. In der Nacht hatte sich Nebel gebildet. Es war mehr Bodennebel, ein dichter, grau-weißer wattiger Schleier, der – weil es windstill war – auch nicht aufgerissen wurde.
Henry Bolz schob die Schubkarre über den Hauptweg. Kleine Kieskörner spritzten unter dem gummibereiften Rad zur Seite.
Der Atem stand als nie abreißende Wolke vor dem Mund des Totengräbers.
Für einen Außenstehenden war die Stille beklemmend. Nicht für Henry Bolz. Der Friedhof war praktisch seine zweite Heimat.
Ihn konnte nichts mehr erschrecken.
Jedenfalls nahm er das an…
Büsche und Sträucher verschwanden in der milchigen Nebelsuppe. Grabsteine und Kreuze wirkten jetzt wie furchterregende Gestalten aus einem phantastischen Film.
Henry Bolz dachte daran, daß er am Nachmittag noch eine Leiche einsargen mußte. Bis dahin wollte er mit seiner Arbeit fertig sein. Er hatte drei Gräber einzuebnen.
Das Einsargen der Leichen brachte ihm immer noch einen kleinen Nebenverdienst, mit dem er seinen ältesten Sohn während des Studiums unterstützen konnte.
Henry Bolz hatte das Ende des Hauptweges fast erreicht und wollte gerade in den Weg einbiegen, der zum neuen Teil des Friedhofes führte, als er stutzte.
Eine Gestalt schälte sich aus dem Nebel.
Henry Bolz blieb stehen.
Die Gestalt kam näher.
Im ersten Augenblick dachte der Totengräber, daß es ein Penner war, der die Nacht auf dem Friedhof verbracht hatte. Das war schon mehr als einmal vorgekommen. Aber nach ein paar Sekunden erkannte Henry, daß er sich geirrt hatte.
Die Gestalt war eine Frau. Unbeirrt hielt sie auf ihn zu. Sie trug ein langes Kleid.
Wie ein Totenhemd, dachte Henry Bolz. Er konnte nicht vermeiden, daß ihm eine Gänsehaut über den Rücken kroch.
Jetzt war die Gestalt nur noch wenige Schritte vor ihm.
Und plötzlich hatte Henry Bolz das Gefühl, eine eiskalte Faust würde sein Herz umschließen.
Er kannte die Frau. Sehr gut sogar.
Denn er selbst hatte sie erst vor nicht einmal vierzehn Tagen begraben…
***
»Ich – ich bin doch nicht
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