GK0153 - Die Rache der roten Hexe
Jane gingen die breite Treppe hoch. An der Wand hingen allerlei Waffen. Hellebarden, Schwerter, Degen und Dolche. Die Waffen waren gepflegt und hatten noch keinen Rost angesetzt. Die Wände des oberen Flures dagegen waren kahl. Hier zweigten nur die einzelnen Zimmertüren ab.
»Für dich muß es doch schrecklich gewesen sein«, sagte John.
Jane nickte. »Das kannst du laut sagen. Bis auf Domingo und Lassalle sind die Männer eigentlich in Ordnung. Sie haben auch die Nerven behalten. Natürlich sind wir überreizt, aber was willst machen?«
Jane war vor der Zimmertür stehen geblieben. »Abschließen konnten wir nicht. Ich habe das Schloß zerschossen«, sagte sie. »Die Leiche liegt im Bad. Wir haben sie in eine Decke gerollt.«
John betrat das Zimmer und machte Licht.
Dann ging er ins Bad, während Jane Collins zurückblieb.
Der Tote lag neben der Dusche. John zog die Decke weg und entdeckte die Würgemale am Hals der Leiche. Sie waren tief ins Fleisch eingeschnitten, mußten von einer dünnen Schnur oder Kordel stammen.
John deckte die Leiche wieder zu. »Jane, ich möchte noch das Zimmer durch…« John hatte während er die Worte sagte, das Bad wieder verlassen und blieb abrupt stehen.
Jane Collins war verschwunden. Der Geisterjäger runzelte die Stirn. »Jane!« rief er. »Melde dich, zum Teufel!«
Wieder keine Antwort. John drehte sich um die eigene Achse und plötzlich verlöschte das Licht. John Sinclair blieb stehen. Noch in der gleichen Sekunde knallte die Tür zu.
Der Oberinspektor fühlte, wie ein eiskalter Finger seinen Rücken hinunterfuhr. Er wußte, daß ihm die erste Auseinandersetzung mit den Mächten der Finsternis bevorstand.
Schwach nur drangen die Rufe der übrigen Männer von unten aus der Halle her an seine Ohren.
John war mit zwei Sätzen an der Tür, wollte sie aufreißen, doch sie war verschlossen.
»Verdammt«, fluchte der Oberinspektor, tastete nach seiner Pistole, als er in seinem Rücken ein Geräusch hörte. Der Geisterjäger wirbelte herum. Beide Fensterflügel sprangen auf. Ein eiskalter Windstoß fauchte in das Zimmer, packte John und schüttelte ihn durch.
»Jooohhhn…« Ein verzweifelter, verwehender Ruf drang an seine Ohren. Er war draußen aufgeklungen, irgendwo auf den Klippen. Aber der Oberinspektor hatte die Stimme erkannt.
Sie gehörte Jane Collins. Gegen den Wind gestemmt, kämpfte er sich bis zum Fenster vor, beugte sich über die Brüstung.
Da sah er Jane Collins. Sie stand auf einer Felsklippe und ruderte verzweifelt mit beiden Armen. Ihr langes blondes Haar wehte wie eine Fahne im Wind.
»Jooohhhnnn! Hilf mir, John! Komm her, ich kann nicht mehr!«
Für den Geisterjäger gab es kein Halten mehr. Er schwang beide Beine auf das schmale Fensterbrett, entdeckte einige Ritzen und Spalten im Mauerwerk, wo er einigermaßen Halt finden konnte.
Der Wind hatte noch zugenommen, fegte unter Johns Jackett und bauschte es auf.
Der Geisterjäger biß die Zähne zusammen. Er mußte Jane Collins helfen. Koste es, was es wolle.
John Sinclair schwang das rechte Bein nach draußen. Er mußte sich dabei drehen und konnte deshalb nicht sehen, wie sich die Gestalt auf den Klippen auflöste und dafür eine andere entstand, die das Gesicht und den Körper der Madame Millau annahm.
Die Alte lachte teuflisch. Nur noch Sekunden, dann würde John Sinclair in der magischen Falle verbrennen…
***
Urplötzlich spürte Jane Collins die Hand auf ihrer Schulter. Kalte, harte Finger drückten zu, zogen die Privatdetektivin herum.
Jane Collins erstarrte. Sie blickte genau in das Gesicht von Madame Millau.
Sie hatte die Alte nicht ins Zimmer kommen hören. Nicht der geringste Laut hatte sie verraten. Madame Millau war einfach dagewesen. Eine Geistererscheinung, für die Mauern und Grenzen nicht existierten.
Die Alte lächelte satanisch. Von ihren Augen ging ein unauslöschbarer Zwang aus, und obwohl Jane der Frau erst Sekunden gegenüberstand, kam es ihr vor, als wären es Minuten. Jane konnte nicht anders. Sie geriet völlig unter den Bann der Unheimlichen.
Willig folgte sie Madame Millau nach draußen auf den Gang. Jane spürte wie ihr eigener Wille erlosch. Sie sah nur die Augen und spürte die Kraft, die mittlerweile völlig ihren eigenen Willen beherrschte.
Und dann hatte sie auf einmal das Gefühl zu schweben. Vor ihren Augen tanzte eine sich drehende farbige Spirale, die Jane mit einer ungeheueren Kraft in sich hineinzog.
Unbewußt streckte die Detektivin die Arme aus,
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