GK0196 - Die Spinnen-Königin
Haut. Die leicht geschlitzten Augen und die hochstehenden Wangenknochen zeugten von dem exotischen Reiz dieser außergewöhnlichen Frau.
Bill trat an Johns Seite. Sheila war schon vorgegangen und betrachtete eine alte chinesische Vase, die aus Bruchstücken wieder zusammengesetzt worden war.
»Glaubst du, daß sie hinter den Vorfällen des gestrigen Abends steckt?« fragte Bill.
John hob die Schultern. »Keine Ahnung, aber du kannst sie ja mal fragen.«
»Ha, ha.«
Inzwischen hatte sich der Ausstellungssaal immer mehr gefüllt. John sah viel politische Prominenz, aber auch Künstler und Professoren der Hochschule.
Drinks wurden gereicht. Champagner, eisgekühlt in flachen Sektschalen.
Man prostete sich zu, hell klangen die Gläser aneinander. Auch John trank. Mit dem Glas in der Hand wanderte er durch den großen Raum, sah sich all die wertvollen Kunst- und Kultgegenstände aus dem alten China an.
Er entdeckte Masken, Gefäße, Schalen, alte Schriftrollen und kunstvolle Zeichnungen. Was hier ausgestellt wurde, war mit Geld kaum zu bezahlen, und John fragte sich, wie diese Gegenstände vor Dieben geschützt wurden.
Bill und Sheila hatten sich abgesondert. Die beiden hatten einige Bekannte getroffen, mußten artig ihre Honneurs machen und über alles mögliche plaudern.
John konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er Bills Gesicht sah. Dem Reporter war es gar nicht recht, von John getrennt zu sein. Er wäre viel lieber an der Seite des Geisterjägers geblieben, um mit John das Boot genau zu inspizieren.
Denn das hatte der Oberinspektor vor. Er wollte das Hausboot unter die Lupe nehmen. Wenn wirklich etwas an diesem Spinnenmann dran war und dieser tatsächlich existierte, dann mußte er versteckt gehalten werden. Aber wo? John hatte schon erkannt, daß das Hausboot genügend Versteckmöglichkeiten bot. Er kannte ja nur einen Teil des Oberdecks, aber wie sah es im Bauch des Schiffes aus?
Um das herauszufinden, war der Geisterjäger hier. Und es würde sich auch irgendwann im Laufe des Abends noch eine Möglichkeit ergeben.
Allerdings hatte John Suko in seinen Plan mit einkalkuliert. Der Chinese wartete in Nähe des Parkplatzes auf Johns Zeichen, um ebenfalls auf das Schiff zu gelangen. Gerade weil Suko Chinese war, konnte er John Sinclair eine große Hilfe sein.
Doch dann trat etwas ein, was Johns Überlegungen so ziemlich über den Haufen warf.
Es begann damit, daß die Gäste plötzlich Madame Wus Stimme durch ein Mikrophon verstärkt hörten.
»Ladies and Gentlemen. Darf ich Sie einen Moment um Ihre geschätzte Aufmerksamkeit bitten?«
Es wurde still. Einige Gäste tauschten überraschte Blicke, und John Sinclair spürte ein bohrendes Gefühl in der Magengegend. Außerdem begann die Narbe auf seiner rechten Wange zu jucken, ein Zeichen, daß sich Ärger anbahnte.
Madame Wu sprach weiter. »Ich freue mich, daß Sie meiner Einladung so zahlreich gefolgt sind, und hoffe, deshalb auch Ihnen eine kleine Freude bereiten zu können. Als besondere Überraschung des Abends biete ich Ihnen eine Fahrt auf der Themse.«
Pause. Die Chinesin ließ ihre Worte erst wirken.
Verstört blickten sich die Gäste an. Jemand sagte: »Bei dem Nebel?«
»Keine Angst«, erklang wieder die Mikrophonstimme. »Ich habe einen außergewöhnlich guten Kapitän, der den Fluß kennt wie seine Westentasche.«
»Und wo werden wir landen?« fragte der Mann wieder.
»Sie werden wieder an diesen Steg zurückgebracht«, lautete die Antwort.
Die Meinungen über dieses Vorhaben waren geteilt. John hörte es deutlich heraus. Was ihm jedoch Sorgen machte, war, daß Suko jetzt nicht auf das Schiff kommen konnte. Es sei denn, man gab ihm Bescheid.
John sah Bill Conolly winken, doch der Geisterjäger schüttelte den Kopf.
Er orientierte sich in Richtung Ausgang, schob eine mit Schmuck behangene Lady zur Seite und sah schon die Tür, als diese aufgestoßen wurde.
Madame Wu betrat den Ausstellungsraum.
Sie streckte den rechten Arm vor und legte John die Hand auf die Schulter. »Aber, Mr. Sinclair, wollen Sie uns schon verlassen? Jetzt, wo die kleine Fahrt beginnt?«
John hätte sich am liebsten in den Hintern beißen mögen. Verdammt noch mal, daß er auch nicht schneller reagiert hatte. Jetzt gab es natürlich kein Herumdrücken mehr.
»Natürlich nicht, Madame«, sagte er wider seine Überzeugung. »Nur - ich finde diese plötzliche Fahrt etwas seltsam.«
»Wieso?« Madame Wu hakte sich bei John unter. Ihr Parfüm streichelte
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