GK0200 - Das Todeskarussell
Waffe war entsichert.
Der Vampir war auf das Kassenhaus zugetaumelt. Er hatte die Arme ausgestreckt, und seine Hände berührten bereits die schmutzige Glasscheibe.
Da war John bei ihm.
Hart preßte er die Mündung der Waffe gegen den Hinterkopf des Untoten. Mit der anderen Hand faßte er in dessen Haare.
»Hör zu, Blutsauger!« flüsterte John den Vampir ins Ohr. »Die Pistole ist mit geweihten Silberkugeln geladen. Du weißt, daß sie für dich endgültig tödlich sind. Mach jetzt keinen Unsinn, und beantworte mir genau meine Fragen. Verstanden?«
Der Vampir nickte. Er hatte sich versteift. Johns Worte waren ihm wie ein Schock in seine Glieder gefahren. Er kannte die tödliche Wirkung des Silbers, und er ahnte auch, daß ihm hier ein Gegner gegenüberstand, dem er nicht gewachsen war.
Aus den Akten wußte John von dem geheimnisvollen Todeskarussell. Jetzt sah er eine Chance, wenigstens einen Teil des Rätsels aufzuklären.
»Rede!« zischte er dem Vampir ins Ohr. »Was hat es mit dem Karussell auf sich?«
»Ich – ich…«
John drückte mit der Waffe fester zu. »Ich brauche nur meinen Zeigefinger um zwei Millimeter zu bewegen, und es hat dich gegeben, Blutsauger.«
Der Vampir hatte wohl verstanden, um was es ging. Quälend langsam drangen die Worte über seine Lippen. »Es ist das Tor zu Chandra«, flüsterte er rauh.
»Wer ist Chandra?«
»Der Fürst der Todessippe!«
»Und was hat es mit dieser Sippe auf sich?«
»Es sind Zigeuner. Mehr – mehr weiß ich auch nicht. Man hat sie getötet. Damals… und jetzt… sie wollen sich rächen. Der Fluch des Chandra hat sich erfüllt.«
»Und welche Rolle spielt das Karussell? Du hast die Frage noch nicht beantwortet.«
»Es hängt mit den sieben Rachetagen zusammen. Sie werden kommen und schreck…«
Plötzlich riß ein mörderischer Schmerz John Sinclairs rechtes Schienbein fast entzwei. Der Vampir hatte zugetreten und mit seinen schweren Schuhen ausgerechnet eine empfindliche Stelle getroffen. John Sinclair krümmte sich. Tränen schossen ihm in die Augen. Ken Kovac hatte sich umgewandt. Seine Hände suchten Sinclairs Hals. Der Mund mit den beiden schrecklichen Zähnen war weit geöffnet. Unmenschliche Laute drangen dem Geisterjäger entgegen. Dem Oberinspektor blieb keine andere Wahl.
Er mußte schießen.
Der Schuß blaffte auf, die Beretta in seiner Hand ruckte. Das silberne Geschoß drang dem Vampir mitten ins Herz.
Ken Kovac fiel zu Boden. Er stöhnte.
Sein untotes Dasein schmolz dahin wie Eis in der Sonne.
Fast übergangslos setzte der Zerfallsprozeß ein. Bald schon starrte John Sinclair auf ein bleiches Gerippe, das, als er es mit der Fußspitze anstieß, zu Staub verfiel.
Ken Kovac war endgültig gestorben.
John steckte die Waffe weg. Der blonde Mann an den beiden Tanksäulen hatte sich erhoben. Aus großen, ungläubig aufgerissenen Augen blickte er den Geisterjäger an. Er konnte nicht fassen, was er eben noch miterlebt hatte.
John ging zu dem Mann. »Sind Sie verletzt?« fragte er.
»Ich glaube nicht.« Das Stöhnen strafte die Worte des Mannes Lügen. Dann deutete er auf den Schraubenschlüssel. »Er hat ihn mir ins Kreuz geworfen. Wenn Sie nicht gekommen wären… danke, Mister.«
John winkte ab. »Schon gut, das ist mein Job.«
»Wer sind Sie?«
»Oberinspektor Sinclair von Scotland Yard. Und Sie?«
»Frank Spiro.«
»Dann haben Sie den toten Kovac entdeckt?«
»Ja, aber woher wissen Sie…?«
»Später.« John zeigte auf die Stelle, wo noch Überreste des Untoten lagen. »Kannten Sie den Vampir?«
Spiro nickte. »Es war Kovac.«
»Oh.« Überrascht hob John die Augenbrauen. Nähere Erklärungen bekam er jedoch nicht. Doug McMahon, der Tankstellenbesitzer, kam aus dem Kassenhaus getaumelt. Er umklammerte sein Handgelenk. Sein Gesicht war kalkweiß.
John lief dem Mann entgegen und stützte ihn. McMahon stand der kalte Schweiß auf dem Gesicht. »Dieser Kerl«, ächzte er. »Einen Arzt, ich…«
Plötzlich verdrehte der Mann die Augen und war im nächsten Augenblick bewußtlos. John konnte ihn gerade noch auffangen, bevor er zu Boden stürzte.
Frank Spiro kam angehumpelt. John sah seinen erschreckten Gesichtsausdruck und lächelte beruhigend. »Keine Angst, Mister Spiro, er ist nur bewußtlos. Aber Sie beide brauchen einen Arzt. Sie haben doch hier Telefon?«
»Ja.«
»Dann rufen Sie den Doc an. Er soll sofort herkommen.«
»Ist gut, Sir.« Frank Spiro verschwand in dem kleinen gläsernen Kassenhaus.
John Sinclair
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