GK064 - Vögel des Todes
zwar?«
»Du gehst baden. Ich gehe zum Castell hinauf.«
»Ach bitte, lass mich mitkommen, Tony.«
An und für sich werde ich ziemlich schnell weich, wenn Vicky mir schöne Augen macht und auf diese Weise zu säuseln beginnt. Doch diesmal blieb ich hart wie Stahl.
»Kommt nicht in Frage!«, sagte ich scharf genug, um sie merken zu lassen, dass diesmal ganz bestimmt nichts zu machen war.
»Schade«, sagte sie einsichtig.
»Denkst du, es ist ein Vergnügen, bei vierzig Grad Hitze diesen öden Berg hinauf zukeuchen?« Ich machte ihr meine Exkursion so wenig attraktiv wie möglich.
Aber Vicky fand den süßen Kern an der Sache trotzdem.
»Die Aussicht soll sensationell sein.«
»Du wirst die Aussicht ein andermal genießen.«
»Wann?«
»Eben ein andermal«, sagte ich, und ich meinte damit einen Zeitpunkt, zu dem es nicht mehr lebensgefährlich war, das Castell zu besichtigen.
Der Besitzer des Hotels sagte mir, wo ich zu einem guten Preis einen vernünftigen Wagen leihen konnte.
Vicky packte inzwischen ihren Bikini in die Badetasche.
Ich tippte vor dem Hotel kurz auf die Hupe. Vicky kam. Ich brachte sie an den weiten menschenleeren Sandstrand des kleinen Fischerdörfchens Estartit. Dann machte ich kehrt und raste die sechs Kilometer nach Torroella zurück.
Manuel Alvarez lief mir über den Weg. Er warnte mich wieder. Ich überhörte seine Worte. Erst als er mir eine andere Geschichte erzählte, horchte ich gespannt auf.
»Gestern Nacht ist die Tochter des Bürgermeisters verschwunden.«
»Verschwunden?«, fragte ich. »Was heißt verschwunden?«
»Ihr Freund, der Banderillero Fernando Cordobes, ist ebenfalls verschwunden.«
»Ich kenne Cordobes«, sagte ich.
»Ach ja. Sie haben gestern mit ihm gesprochen, nicht wahr?«
»Ja. Wollen Sie mir nicht erklären, wie die beiden verschwunden sind, Manuel?«
Alvarez hob die schmalen Schultern. Sein Hemd war schmutzig. Eine Rasur wäre auch wieder fällig gewesen.
Nicht einmal gekämmt hatte er sich heute.
»Man hat Fernando mit Carmen Fuente in einer Diskothek in Estartit gesehen«, erzählte Manuel Alvarez langsam. Wenn ich ihn irgendwie ankurbeln hätte können, dann hätte ich es getan. Mich interessierte einerseits brennend, was er zu erzählen hatte, andererseits wollte ich endlich zum Castell hinaufsteigen. »Die beiden haben da zwei Stunden getanzt und sind dann gegangen«, fuhr Alvarez fort.
»Und weiter?«, fragte ich ungeduldig. Er lehnte an meinem Leihwagen und schaute mich durch das Seitenfenster besorgt an.
»Fernando brachte das Mädchen nach Hause.«
»Das ist doch wohl üblich, oder?«
»Natürlich.«
»Aber?«
»Carmen Fuente ist nicht heimgekommen.«
»Ist das ein Grund, anzunehmen, dass sie verschwunden ist?«
»Das noch nicht, Senor Ballard.«
»Was dann?«
»Jemand hat das Mädchen in der Nacht schreien gehört. Und Fernando auch.«
»Wer?«
»Was – wer?«
»Wer hat die beiden schreien gehört?«
»Senor Fuentes Nachbar.«
»Und?«
»Er ist natürlich nicht aus dem Haus gegangen.«
»Finden Sie das so selbstverständlich, Manuel?«, fragte ich ärgerlich. »Da, wo ich herkomme, hilft man, wenn jemand in Not ist.«
»Sie wissen immer noch nicht, welche Angst wir hier alle haben, Senor Ballard.«
»Doch, Manuel. Das ist mir inzwischen klar geworden.«
»Diese Angst ist berechtigt, Senor Ballard.«
»Ich weiß«, erwiderte ich, und ich dachte an meine erste Begegnung mit Paco Benitez. »Trotzdem würde ich, ohne zu überlegen, aus meinem Haus stürzen, wenn davor jemand um Hilfe ruft.«
»Sie sind ein äußerst mutiger Mann, Senor Ballard.«
»Ich weiß nur, was sich gehört. Hat der Nachbar des Bürgermeisters nicht mal den Mut aufgebracht, aus dem Fenster zu sehen? Weiß man wenigstens, weshalb die beiden geschrien haben?«
»Der Mann hat aus dem Fenster gesehen, Senor Ballard.«
»Na, also.«
»Aber erst später. Als bereits alles vorbei war. Lange danach erst.«
»Donnerwetter!«, sagte ich bissig.
»Wieso war er denn so tapfer?«
»Er konnte nicht mehr einschlafen.«
»Aus Angst?«
»Nein. Fernandos Wagen stand vor seinem Haus. Mit laufendem Motor.«
»Ach so.«
»Erst bei Tagesanbruch wagte sich Senor Fuentes Nachbar aus dem Haus. Er schaltete die Scheinwerfer ab und brachte den immer noch laufenden Motor zum Stillstand. Dann ging er zu Senor Fuente, um ihm von dem Vorfall zu erzählen. Der Bürgermeister erlitt daraufhin eine Herzattacke. Man musste ihn ins Krankenhaus nach Gerona bringen.«
Ich
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