GK181 - Der Spinnenmann
Wenn ich aber auf Hopkins’ Vorschlag einging, dann war ich dem Chef vom Yard für alles, was ich machte, Rechenschaft schuldig.
Ob das so erstrebenswert war?
Der Chief-Superintendent musterte mich ungeduldig. Viel Zeit wollte er mir für meinen Entschluß nicht einräumen. Er schluckte so laut, daß ich es hören konnte.
Dann sagte er drängend: »Nun? Wie stellen Sie sich zu meinem Angebot?«
Er hatte kein Wort von Geld gesprochen, und ich wußte, daß ich es gratis tun mußte, wenn ich darauf einging, denn offiziell durfte ja niemand wissen, daß ich zum verlängerten Arm des Yard geworden war, also konnte man auch nirgendwo ein Honorar für den Privatdetektiv Anthony Ballard unterbringen.
Ein Glück für ihn, daß ich an Geld nicht interessiert war.
Ich hob unwillig die Schultern. »Soll ich ehrlich sein, Mr. Hopkins?«
»Ich bitte darum.«
»Mir schmeckt Ihr Angebot nicht so recht.«
»Was stört Sie?«
»Daß Sie am Ende vielleicht mich zum Sündenbock machen könnten, so, wie Sie’s mit Lou Nicholson getan haben.«
Der Chief-Superintendent blickte mich durchdringend an. Er holte tief Luft und nickte dann ärgerlich. »Na schön, Mr. Ballard. Vielleicht war es ein Fehler, hierherzukommen.« Er erhob sich. »Entschuldigen Sie bitte die Störung.«
Ich bedeutete ihm mit beiden Händen, er möge Sitzenbleiben, und er setzte sich wieder. Ich lachte. »Ich habe vorher gefragt, ob ich ehrlich sein soll.«
Hopkins fuhr sich nervös über die Augen. »Entschuldigen Sie. Ich wollte nicht so aufbrausen. Es ist nur… Im Moment schlägt die Sache hohe Wellen, und es liegt bei mir, den Yard so sicher wie möglich durch dieses Chaos zu steuern.«
Ich überlegte. An Geld war ich nicht interessiert. Wohl aber an einer guten Beziehung zum Yard. Wenn ich also zustimmte, den Job, den ich ohnedies schon am Hals hatte, zu übernehmen, konnte ich mir Chief-Superintendent Neal Hopkins verpflichten, dann war er mir etwas schuldig. Schlecht?
Ich tat, als würde ich mich schwer zu diesem Entschluß durchringen und seufzte tief. »Also gut. Ich werde mich des Falles annehmen.«
Hopkins atmete erleichtert auf. Er lächelte jetzt sogar. »Ich wußte, daß in Ihrer Brust immer noch das Herz des Polizeiinspektors schlägt, Mr. Ballard.«
»So wird es wohl sein«, gab ich zurück.
»Sollten Sie Erfolg haben, werden Sie nichts von den Lorbeeren haben, Mr. Ballard«, sagte Neal Hopkins ernst. »Schließlich haben Sie ja nie offiziell für den Yard gearbeitet.«
Ich nickte. »Verstehe. Wenn ich also den Spinnenmann schaffe, dann schmückt ihr euch mit meinen Federn.«
»So ungefähr. Stört Sie das?«
»Aber nein.«
»Vicky Bonney dürfte natürlich auch kein Buch über diesen geheimen Fall veröffentlichen, denn diesen Fall hat es für Tony Ballard ja niemals gegeben.« Ich grinste. »Sie denken aber auch wirklich an alles, Mr. Hopkins. Kriege ich wenigstens völlig freie Hand? Kann ich tun, was ich — und nur ich — für richtig halte?«
Hopkins legte die Rechte auf sein Herz. »Das kann ich Ihnen auf jeden Fall versprechen, Mr. Ballard. Nicht einmal ich werde Ihnen in Ihre Angelegenheiten dreinreden.«
Ich lachte. »Wie schön.«
»Sie müssen mir nur eines versprechen«, sagte Neal Hopkins.
Ich hob eine Braue. »Und das wäre?«
»Daß Sie Erfolg haben!«
Ich grinste sarkastisch: »Nichts leichter als das, Chief-Superintendent.«
Er verließ mein Haus, begab sich zu seinem Wagen und kam mit den Kopien sämtlicher Unterlagen wieder, die es von dem Fall »Spinnenmann« gab.
»Hier«, sagte er und lud den ganzen Krempel auf meinem Tisch ab. »Mehr Hilfe kann ich Ihnen leider nicht bieten.«
***
Als Lance Selby an meiner Tür schellte, studierte ich gerade das Material, das der Yard-Chef mir freundlicherweise überlassen hatte. Ich ließ den Parapsychologen ein. Er sah die Unterlagen und sagte: »Mann, was ist denn das?«
»Ich arbeite jetzt für New Scotland Yard«, antwortete ich.
»Als Archivar?«
»Als Detektiv.«
»So etwas gibt’s doch nicht.«
»Wenn es einen Spinnenmann gibt, dann gibt es auch so etwas«, entgegnete ich meinem Freund. »Setz dich. Nimm dir was zu trinken.«
Während sich Lance an der Hausbar bediente, erzählte ich ihm von Neal Hopkins’ Besuch. Ich brauchte ihn nicht zu verpflichten, den Mund zu halten, denn ich wußte, daß Lance niemandem gegenüber auch nur ein einziges Wort darüber verlieren würde. Er konnte schweigen wie ein Grab. Einer von seinen ganz besonderen
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