GK195 - Totentanz im Hexenclub
mehr gewachsen. Knirschend splitterte es aus dem Holz. Magoon hatte so viel Schwung, daß er die Treppe hinunterstürzte. Er krümmte während des Fallens den Rücken und schützte mit beiden Armen seinen Kopf.
Atemlos kam er unten wieder auf die Beine. »Lissy!« brüllte er verzweifelt. »Lissy, wo bist du?«
Sie stand nicht mehr hinter dem Tresen. Himmel, fing dieser Horror schon wieder an? Die Flötenmelodie machte Magoon halb wahnsinnig. Wut loderte in seinen Augen. Er wandte sich der Disc-Jockey-Box zu. »Wird das nicht endlich aufhören!« schrie er mit weit aus dem Hals tretenden Adern.
Er jagte auf die Box zu.
Da war sie wieder, diese verdammte Hexenplatte, lag auf dem Plattenteller und drehte sich immerzu.
»Genug!« schrie Maggon wie von Sinnen. »Es ist genug!« Blitzschnell fegte er den Tonarm zur Seite, er riß die schwarze Scheibe vom Plattenteller und zerbrach sie. Die Splitter schleuderte er auf den Boden. In seiner grenzenlosen Wut trampelt er fluchend darauf herum.
Doch dann packte ihn das Grauen mit eiskalten Fingern beim Genick.
Er hatte die Schallplatte zerstört. Aber die erhoffte Stille blieb aus. Nach wie vor kreischten die schrillen Dissonanzen aus den vier mächtigen Lautsprechern. Der Plattenspieler lief nicht mehr, aber die Musik quoll weiter mit peinigender Aufdringlichkeit aus den großen Tonboxen.
Magoon war nahe daran, den Verstand zu verlieren. »Nein!« brüllte er aus Leibeskräften. »Herrgott, mach, daß diese gräßliche Hexenmusik aufhört!«
Aber die Musik hörte nicht auf. Im Gegenteil. Sie wurde immer schriller, immer unerträglicher. Es war eine entsetzliche Folter für den verzweifelten Mann.
Die Töne trieben Magoon aus der Diskothek. Er konnte sie nicht mehr länger ertragen. Seine Ohren schmerzten ihn. Die abscheuliche Musik nahm ihm den Atem. Sie geißelte ihn. Er verlor beinahe die Besinnung. Lissy verschwand aus seinem Denken. Er konnte nur noch an eines denken: Flucht! Raus aus dieser Höllenmusik, die ihn umfing wie ein klebriger Sumpf, der ihn langsam in die Tiefe hinabziehen und ersticken wollte.
Raus aus diesen Teufelsklängen.
Fort! Fort von hier, ehe es zu spät war.
Wie von Furien gehetzt jagte der halb besinnungslose Mann die Treppen hoch. Doch selbst oben auf der Straße kam Magoon noch nicht zu sich. Er lief einfach drauflos, ohne zu wissen, wohin…
***
Lissy legte das Geld beiseite, als Henry die Getränkekisten aus dem Lokal trug.
Ein eigenartiges Gefühl ergriff von ihr Besitz. Sie war froh, endlich allein zu sein. Henrys Nähe war ihr — seit sie zum erstenmal diese eigenartige Musik gehört hatte — unangenehm. Sie entwickelte eine gewisse Abneigung gegen ihn, die von Tag zu Tag stärker wurde.
Es kam für sie nicht mehr in Frage, ihn zu heiraten, denn sie wußte, daß der Tag nicht mehr fern war, wo sie nichts mehr von ihm wissen wollte.
Als nun Henry Magoon die Diskothek verließ, lächelte Lissy zufrieden. Endlich allein. Nun konnte sie sich auf sich sebst konzentrieren. Sie dachte an jene geheimnisvollen Flötentöne, und sie sehnte sich mit einemmal nach ihnen. Es war wie eine Sucht. Ihr Körper verlangte danach.
Sie wollte die verlockenden Töne wieder hören. Sie hatte das Gefühl, diese Klänge zu brauchen. Irgendwie füllten die Klänge sie aus. Sie machten sie stark. Sie luden sie auf eine rätselhafte Weise auf. Dadurch entstand ein Wohlbefinden, das sie nicht mehr missen wollte.
Über ihrem Kopf entstand ein leises Brausen. Lissy hob den Blick. Dort oben schwebte eine kleine schwarze Schallplatte. Sie drehte sich und näherte sieh langsam der Disc-Jockey-Box. Sanft landete sie auf dem Plattenteller. Automatisch setzte sich der Tonarm in Bewegung. Und dann erfüllten die unheimlichen Flötentöne alle Räume der Diskothek.
Ein zufriedenes Lächeln breitete sich über Lissy Vandems hübsches Gesicht. Ihr Blick verschleierte sich. Sie fiel allmählich in Trance. Nun war sie nicht mehr nur sie selbst. Es war noch etwas anderes in ihr. Etwas, das sie aus vollem Herzen willkommen hieß. Und dieses andere sagte ihr jetzt, was zu tun war.
Lissy verließ den Gastraum.
Sie begab sich ins Büro. Die gespenstische Musik begleitete sie auf ihrem Weg. Mechanisch setzte sie Fuß vor Fuß. Sie schien auf den Tönen zu schweben. Hinter dem gläsernen Schreibtisch fing die Luft mit einemmal zu flimmern an.
Lissy hatte keine Furcht.
Sie ging auf dieses Flimmern zu, trat in den flimmernden Kern hinein und löste sich in derselben
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