GK198 - Der Stierdämon
erzittern, an die Rodensky und Snow gekettet waren.
Der Gesichtslose wies auf den Briten. Sein Burnus raschelte. Sein knöcherner Kiefer klappte auf.
Mit herrischer Stimme rief Mesos: »Seine Zeit ist gekommen! Nehmt ihm die Ketten ab! Der Dämon wird ihn in die Verbannung schleifen!«
Aus dem Nichts traten Pahlev und Kadschar hervor. Sie begaben sich zu Snow. Der Engländer hob den Kopf. Sein Gesicht war schweißbedeckt. Die fahlen Wangen zuckten. Er warf Rodensky einen leidenden Blick zu.
Aus ist es! sagten seine Augen. Siehst du? Jetzt ist es zu Ende!
Die Perser nahmen ihm die Ketten ab. Da sie ihn nicht stützten, sank Hank Snow auf die Knie. Flehend hob er die Hände. Er faltete sie. »Macht mit mir, was ihr wollt. Aber verschont Melissa«, bettelte er.
»Melissa?« Mesos lachte gemein. »Sie wurde bereits die Geliebte meines Herrn!«
Snow schüttelte verzweifelt den Kopf. »Das ist nicht wahr! Diese Schmach habt ihr dem Mädchen noch nicht angetan!«
»Doch! Der Dämon hat es getan! Und es hat deiner Freundin mächtig gefallen!«
»Ihr Schweine!« brüllte Snow gequält. Er wollte aufspringen, doch er hatte nicht genug Kraft dazu, schnellte nur hoch, fiel dann aber nach vorn, landete auf Brust und Gesicht.
Mesos warf den Dämonenschergen einen dicken schwarzen Strick zu. Pahlev und Kadschar schlangen Snow den Strick blitzschnell um die Brust.
Mesos hielt das andere Ende fest in seiner Hand. »Fertig, Herr!« rief er, und der schwere Dämon wandte sich mit stampfenden Hufen langsam um. Vladek Rodensky konnte sehen, wie sich jeder Muskel unter dem schwarz glänzenden Fell des Stiers spannte. Plötzlich schoß der Unhold pfeilschnell in die Dunkelheit hinein. Mesos schleifte den Engländer mit.
Hank Snow fing zu brüllen an.
Seine Schreie gingen Rodensky durch Mark und Bein. Obwohl Snow nicht mehr zu sehen war, war er noch lange Zeit zu hören. Seine Stimme hallte durch teuflische Ewigkeiten.
Rodensky krampfte es das Herz zusammen. Er riß und rüttelte an seinen Ketten, war halb ohnmächtig vor Wut, und er haßte Pahlev und Kadschar, die breitbeinig vor ihm standen und ihn schallend auslachten.
Dann folgte Stille.
Snow hatte aufgehört, zu brüllen. Aber Vladek Rodensky ließ sich davon nicht täuschen. Er wußte, daß der Brite noch nicht alles überstanden hatte.
Nun fing die schreckliche Pein für ihn erst richtig an.
Dort unten, im tiefschwarzen Schlund des unergründlichen Schattenreichs…
***
Ich saß in Musas Mercedes.
Vladek hatte ihn zu mir geschickt! Vladek! Ich konnte es immer noch nicht fassen. Mahmud Musa konzentrierte sich auf den Verkehr, während er in fließendem Englisch mit mir sprach. »Ich fand Ihren Freund verletzt in meinem Garten. Verletzt und ohnmächtig. Ich war gerade dabei, ein Bad zu nehmen, da hörte ich ihn stöhnen.«
Ich wollte wissen, wie schwer die Verletzung war.
»Unbedeutend«, sagte Musa. »Nur eine Platzwunde am Kopf. Jemand muß ihn niedergeschlagen haben. Ich brachte ihn in mein Haus und untersuchte ihn, so gut das ein Laie eben vermag. Außer der Platzwunde war keine weitere Verletzung festzustellen. Ich brachte Ihren Freund mit Hilfe von Salmiakgeist wieder zum Bewußtsein.«
»Was hat er Ihnen erzählt?« fragte ich erregt.
»Er war zunächst vollkommen durcheinander.«
»Das kann ich mir denken. Und dann?«
»Der Schlag auf den Kopf machte ihm schwer zu schaffen.«
»Wer hat ihn auf den Schädel gehauen?«
»Daran kann er sich anscheinend nicht mehr erinnern«, sagte der Rechtsanwalt. So etwas kam nicht so selten vor. Ein kräftiger Schlag auf den Kopf kann das, was unmittelbar vor der Ohnmacht geschah, für viele Stunden, ja sogar für Tage und Monate ausradieren. In manchen Fällen konnten sich die Niedergeschlagenen überhaupt nicht mehr erinnern.
»Hat er Ihnen von der Entführung erzählt?« fragte ich den Anwalt.
»Ja. Er sprach von Melissa Ford und von Hank Snow, mit dem er die Kidnapper verfolgte.«
»Bis wohin hat er sie verfolgt?« wollte ich wissen.
»Keine Ahnung.«
»Was ist aus dem Fotografen geworden?«
»Auch das weiß ich leider nicht, Mr. Ballard.«
»Vladek muß es Ihnen doch gesagt haben!« fuhr ich wütend auf.
»Sie müssen bedenken, in was für einem Zustand sich Ihr Freund befand. Ich mußte ihn wie ein rohes Ei behandeln, er durfte sich nicht aufregen. Wissen Sie, daß ihn eine Aufregung um den Verstand bringen kann?«
Ich schüttelte unwillig den Kopf. »Vladek ist hart im Nehmen.«
»Sie werden sehen,
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