GK201 - Der Hexer von Colombo
»Wie?«
»Das Bild«, wiederholte der Mann, als rede er mit einem Kind, das ihn nicht verstand. »Es geht nicht mehr rein. Der Artikel ist zu lang.«
»Kann man das Bild nicht abschneiden?«
Der Setzer grinste breit. »Wollen Sie einen kopflosen Gesundheitsminister in der Zeitung haben? Zwei Möglichkeiten: Entweder wir lassen das Bild draußen, oder Sie kürzen Ihren Artikel.«
Matara nickte. »Geben Sie her.«
Er bekam den Bürstenabzug, zog sich damit zu einem in der Setzerei stehenden Schreibtisch zurück. Um ihn herum rollte die übliche Hektik ab, die ihn schon lange nicht mehr aus der Ruhe bringen konnte. Diesmal bemerkte er sie noch viel weniger. Mit dem Filzschreiber fing er an zu streichen. Jemand klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter, er wurde gegrüßt, aber er gab den Gruß nicht zurück. Hastig zeichnete er an, was wegbleiben konnte, was nicht allzu wichtig war, was sich der intelligente Leser dazudenken konnte.
Dann brachte er den Bürstenabzug zurück.
»Jetzt paßt es genau«, nickte der Setzer.
Matara dachte an seinen Freund.
Die Druckereileute machten die letzten Handgriffe. Danach wurde die ganze Seite geprägt. Fertig. Mataras Anwesenheit war nicht mehr länger erforderlich. Er verließ das Druckereigebäude unverzüglich, setzte sich in seinen cremefarbenen MG und rauschte ab.
Bis zu Para Bahus Wohnung brauchte er fünfzehn Minuten. Er mußte weder läuten noch klopfen. Bahu machte in dem Moment auf, als Dawirs Füße den Fußabstreifer berührten. Der Fotograf hatte, am Fenster stehend, auf das Eintreffen des Freundes gewartet. Er begrüßte ihn nun mit ernster, sorgenvoller Miene.
Matara trat ein und sagte: »Du machst ein Gesicht, als wüßtest du, daß in ein paar Stunden die Welt untergehen wird.«
»Vielleicht nicht die ganze Welt – möglicherweise aber Colombo«, gab Para Bahu mit belegter Stimme zurück.
»Was soll das heißen?« fragte Matara schnell. »Was willst du mir zeigen?«
»Komm mit.«
Bahu führte den Freund in sein Arbeitszimmer. Auf dem Schreibtisch waren etwa zwanzig Fotografien vorbereitet. Neben anderen Gesichtern tauchte immer wieder dasselbe hübsche Mädchengesicht auf. Ein makelloses Oval, ausdrucksstarke Augen, ein nettes, freundliches Antlitz, von langen schwarzen Haaren eingerahmt.
»Was soll das?« fragte Dawir Matara verwirrt. Er schaute den Fotografen an.
»Du kennst dieses Gesicht natürlich.«
»Na klar. Das ist Sigiri. Sie war die Frau eines der reichsten Obsthändler von Colombo.«
»Richtig«, sagte Bahu. »Die Ehe wurde vor etwa einem halben Jahr geschieden.«
»So etwas kommt jeden Tag vor.«
»Kennst du den Scheidungsgrund?« fragte Para Bahu lauernd.
»Seelische Grausamkeit.«
Bahu nickte. »Ja, aber nicht Sigiris Mann hat diese seelischen Grausamkeiten begangen, sondern sie, weißt du das auch?«
Matara winkte mit verdrossener Miene ab. »Was soll das, Para? Du tust am Telefon so schrecklich geheimnisvoll, und dann legst du mir Bilder von Sigiri vor.«
»Darf ich dich bitten, die Aufnahmen genau anzusehen?«
»Wozu?« fragte Matara unwillig.
»Nimm die Lupe zur Hand und schau dir die Bilder ganz genau an – und dann sagst du mir, was dir daran auffällt.«
Seufzend tat Matara dem Freund den seiner Meinung nach lächerlichen Gefallen. Er ließ die Lupe langsam über die Fotos gleiten, und als er die Reihen durch war, richtete er sich wieder auf.
»Nun?« sagte Bahu.
»Meinst du diese verwischten Striche?«
Der Fotograf nickte. »Sieht es nicht so aus, als trüge Sigiri Hörner?«
»Du spinnst ja!« sagte Matara ärgerlich. »Zum Teufel, was soll das Theater, Para? Willst du mir nicht endlich sagen, worauf du hinauswillst?«
»Ich bin dabei«, sagte Bahu ernst, »und ich schicke voraus, daß ich nicht die Absicht habe, dich in irgendeiner Weise zum Narren zu halten. Dawir, das mußt du mir glauben. Ich möchte die Sache nur so gründlich wie möglich darlegen. Man kann diese… verwischten Striche nicht auf allen Aufnahmen sehen, nicht wahr?«
»Nein«, sagte Matara unwillig. »Nur auf den letzten fünf.«
»Dafür kann ich dir eine Erklärung liefern«, sagte der Fotograf, während er die Hände in die Hosentaschen schob und sich auf die Kante seines Schreibtisches niederließ. »Diese Fotos sind nun ein Jahr alt, Dawir. Ich machte damals an zwei aufeinanderfolgenden Tagen Schnappschüsse von Sigiri. Die meisten davon am dreißigsten April. Die letzten fünf Aufnahmen schoß ich am ersten Mai. Verstehst du
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