GK231 - Der Herr der Ratten
ein so starkes Interesse an uns hatte.
***
Zwei Stunden später lernte ich Ali Golombek kennen.
Frank Esslin machte mich mit ihm bekannt. »Ballard ist der Auffassung, daß du auf der Insel an die Mächte des Bösen geraten bist«, sagte Frank zu dem kleinen Soldaten.
Golombek strahlte sofort. »Endlich einer, der weiß, wo’s langgeht!«
»Ballard und sein Freund Mr. Silver haben im Kampf gegen Geister und Dämonen reiche Erfahrung«, sagte Frank. Ali Golombek hörte das mit Vergnügen.
Er blickte mich mit funkelnden Augen an und sagte: »Dann werden Sie dort drüben endlich für Ordnung sorgen, nicht wahr, Mr. Ballard?«
»Ich werde es versuchen«, entgegnete ich vorsichtig. Ich konnte dem Mann keine Wunder versprechen, weil ich noch keine blasse Ahnung hatte, womit ich es dort drüben eigentlich zu tun hatte.
Ich ließ Golombek von seinen Erlebnissen erzählen. Er tat ein weiteres und berichtete uns auch ausführlich von Jack Jyleys Tod, obwohl er davon nur das wußte, was man ihm erzählt hatte, denn er hatte sich zum Zeitpunkt des Geschehens nicht auf der Insel aufgehalten. Obwohl ich die Geschichte schon kannte, hörte ich sie mir noch einmal an, und ich ließ Ali auch von jenem eigenartigen Wirbelsturm berichten, der auf der Insel alles kurz und klein geschlagen hatte.
Nachdem Golombek zu einem Ende gekommen war, fragte ich: »Gibt es irgendeine mysteriöse Geschichte über dieses Atoll, Mr. Golombek?«
»Warum nennen Sie mich nicht Ali?« fragte er, mich von unten bittend anblickend.
»Wie Sie wollen, Ali.«
»Es gibt da ein Gerücht, Mr. Ballard…«
»Tony«, verlangte ich.
»Okay. Tony.« Ali massierte sein Kinn. »Auf dieser Insel soll einmal ein Mann namens Lago gewohnt haben. Ein aufsässiger Bursche, der von hier unter keinen Umständen weg wollte. Er soll den Soldaten, die ihn von dem Eiland herunterholen mußten, sogar ein wildes Feuergefecht geliefert haben. Sie schossen ihn zusammen und brachten ihn schwer verletzt mit den anderen Insulanern auf das Ujelang-Atoll. Aber er blieb da nicht. Er tötete – nachdem er genesen war – zwei Soldaten, stahl ein Schnellboot und kehrte auf seine Insel zurück. Man fand das Boot an der Küste von Yvonne. Lago wurde nicht mehr wiedergesehen. Kein Mensch weiß, wo er hingekommen ist. Man hat die gesamte Inselgruppe nach ihm abgesucht. Er tauchte nicht mehr auf. Man vergaß ihn und zündete die erste Bombe.«
Mir ging diese Geschichte unter die Haut.
Sie konnte durchaus die Basis jener geheimnisvollen Vorfälle sein.
Ali Golombek sagte etwas, womit er den Nagel genau auf den Kopf traf, wie sich später herausstellen sollte: »Vielleicht hat Lago einen Pakt mit dem Bösen geschlossen…«
Mr. Silver nickte zustimmend. »Auf diese Weise wäre es ihm möglich gewesen, auf seiner Insel zu bleiben und die 43 Atombomben zu überstehen.«
»Und nun wird er sich für das, was man seiner Insel angetan hat, rächen«, sagte Ali. »Mich wollte er noch verscheuchen. Bei Jack Jyley hat er bereits ernst gemacht.«
»In der Gestalt einer Ratte?« warf Frank Esslin zweifelnd ein.
»Wenn ihm der Teufel hilft, kann er jede Gestalt annehmen«, sagte ich.
»Vielleicht sind die Ratten aber auch nur seine Gehilfen«, bemerkte Mr. Silver. »Er läßt sie die grausige Arbeit tun und hält sich selbst im verborgenen.«
Frank blickte mich an. »Ihr habt die Insel gesehen, Tony. Wo könnte sich deiner Meinung nach Lago verstecken?«
»Unter ihr«, sagte ich nachdenklich. »Auf ihr ist das nicht möglich.«
»Jetzt müßte man ein Gerät haben, das wie ein Geigerzähler arbeitet, aber nicht auf radioaktive Strahlen reagiert, sondern auf die Ausstrahlung des Bösen«, sagte Ali mit gesenktem Kopf. »Dann wäre der Teufel schnell geortet.«
Ich erwiderte zuversichtlich: »Wir werden ihn auch ohne ein solches Gerät finden. Es wird nur etwas länger dauern.«
»Hoffentlich müssen bis dahin nicht noch einige Jack Jyleys sterben«, seufzte Ali Golombeck, und ich fragte mich, wie man auf die Idee kommen konnte, dieser Mann wäre nicht Herr seiner Sinne.
***
Es spielten sich rührende Szenen ab, als die Insulaner ihr Eiland betraten.
Einige von ihnen weinten stille Tränen. Einige knieten nieder, beugten ihren Rücken und küßten ergriffen die heimatliche Erde. Einige standen einfach nur da und konnten nicht begreifen, daß sie nach so vielen Jahren nun doch wieder nach Hause gekommen waren.
Der achtzigjährige Iroij schaute sich überwältigt um. Er sagte zu
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