GK236 - Wenn die Zombies kommen
hart kam.
Während ich in der Hotelbar bei einem Glas Pernod pur überlegte, wie ich es anstellen mußte, um Ed Comstock und Jonathan Loomis auf die Spur zu kommen, enterte neben mir ein Mädchen den hohen Hocker und verlangte beim Keeper einen Bourbon on the rocks.
Ihre rauchige Altstimme rief auf meiner Haut ein eigenartiges Prickeln hervor. Ich wandte den Kopf und nahm sie in Augenschein. Sie war schätzungsweise so groß wie Vicky, hatte langes, schwarzes Haar, eine ins Auge stechende Figur und ein Dekolleté, an dem ein Mann einfach nicht vorbeisehen konnte. Ihr Mund war etwas zu rot geschminkt. Ihre Hände waren schmal und schlank, die Finger wirkten feingliedrig und konnten einen Mann gewiß äußerst zärtlich streicheln.
Was mich an ihr störte, war die riesige Sonnenbrille, die sie trug. Es war nicht besonders hell in der Hotelbar, wie das eben in Bars, in denen sich der Gast wohlfühlen soll, so ist. Deshalb fragte ich mich, ob sie hier drinnen mit diesem Riesending auf der Nase überhaupt etwas sehen konnte.
Sie bekam ihren Bourbon on the rocks.
Ihr Gesicht wandte sich mir zu. Ein kurzes Lächeln huschte über ihre Züge. Sie hob ihr Glas und prostete mir zu. Ich nickte und griff nach meinem Glas, um ebenfalls einen Schluck zu nehmen.
Etwas an diesem Mädchen faszinierte mich auf eine rätselhafte Weise. Sie schlug mich förmlich in ihren Bann. Ich konnte mich nicht dagegen wehren. War es das Geheimnis ihrer für mich verborgenen Augen, das ich ergründen wollte? War es ihre unglaublich erotische Ausstrahlung, die mich so sehr anzog, daß ich im Moment keine Sekunde an Vicky dachte?
Etwas Geheimnisvolles ging mit mir vor.
Etwas, das mir noch nie widerfahren war.
Ich warf alle Vernunft über Bord. Ich vergaß alle meine Probleme, mir war nicht einmal mehr bewußt, wo ich mich befand. Ich war von allem losgelöst, schwebte scheinbar schwerelos im Raum – gemeinsam mit diesem schwarzhaarigen Mädchen, das mir völlig fremd war, und das es geschafft hatte, mir in der ersten Minute unserer Begegnung so sehr den Kopf zu verdrehen, daß mein Pflichtgefühl und mein Verantwortungsbewußtsein dagegen auf verlorenem Posten ankämpften.
Ihr Name war Sue Malloy.
Sie erlaubte mir, sie Sue zu nennen.
Ich stellte mich ihr vor. Es zuckte kurz in ihrem Gesicht. Sie hatte schon von mir gehört. Die Talk Show hatte sie allerdings nicht gesehen.
Sie ließ sich von mir auf einen weiteren Drink einladen. Ich hatte das Gefühl, im Sumpf einer alles verschlingenden Leidenschaft zu versinken. Mädchen wie Sue konnten einem Mann gefährlich werden. Für ein Mädchen wie Sue verließen brave Ehemänner ihre Familien, gingen einbrechen oder stehlen – und waren trotzdem glücklich, solange sie nur mit Sue zusammenbleiben durften.
Ich wies auf ihre große Sonnenbrille. »Ein Gag?« fragte ich schmunzelnd.
Sie schüttelte den Kopf. Ihr langes schwarzes Haar erzitterte bis in die Spitzen. »Bindehautentzündung«, sagte sie bedauernd. »Sogar die Flamme einer Kerze schmerzt mich.«
»Tun Sie etwas dagegen?«
»Ich bin in ärztlicher Behandlung.«
»Das ist gut«, sagte ich, während sich meine Hand um das Pernodglas krampfte. Verdammt, was war bloß mit mir los? Ich reagierte völlig anders als sonst. Mir kam der Gedanke, daß hier irgend etwas nicht stimmte. Hatte mir der Keeper etwas in meinen Drink getan? Ich warf einen Blick ins Glas. Der Pernod sah so aus wie immer. Ich schaute den Keeper an, der soeben mit zwei neu angekommenen Gästen sprach. Er machte einen korrekten, seriösen Eindruck.
Dennoch war irgend etwas faul.
Ehe ich weitergrübeln konnte, glitt Sue Malloy vom Hocker.
Das traf mich wie ein schlimmer Schock. »Sie wollen schon gehen?« fragte ich enttäuscht. An jedem anderen Tag hätte ich an Vicky gedacht und gesagt: »Es war sehr nett, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben.« Dann hätte ich freundlich genickt und das Mädchen ziehen lassen. Doch heute fürchtete ich, daß dieses Auseinandergehen eine Wunde in mein Herz reißen würde.
Ich versuchte, Sue zurückzuhalten.
Ich bat sie, noch einen Drink mit mir zu nehmen, doch sie blieb hart. »Ich habe genug, Tony«, sagte sie und lächelte sphinxhaft. »Zwei Drinks am Nachmittag. Mehr schicken sich nicht.«
Sie setzte zu einem Schritt an.
Laß sie gehen! raunte mir mein Gewissen zu, doch ich hörte nicht darauf.
Meine Hand schoß vor und legte sich auf ihren Arm. Hart. Energisch. Fordernd – als hätte ich ein Recht auf Sue. »Wohin wollen
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