GK245 - Die Satansdragoner
Ich bin VICKY BONNEY!«
Ich schüttelte gelassen den Kopf. »Gib dir keine Mühe. Du hast dich mit zwei Fehlern verraten!«
»Mit zwei Fehlern? Welchen Fehlern?« fragte das Mädchen schrill.
»Du hättest dich nicht an den Tresen setzen dürfen, denn dort war ein Spiegel, in dem ich dich nicht sehen konnte. Und als wir das Lokal verließen, hättest du das Licht der Straßenlampe meiden müssen, denn du wirfst keinen Schatten!«
Vickys Doppelgängerin starrte mich betroffen an. Sie erkannte, daß es keinen Sinn mehr hatte, mich täuschen zu wollen, und ließ die Maske fallen. Gott, war das häßlich. Wut und abgrundtiefer Haß verzerrten das hübsche Gesicht, das ich so sehr liebte. Das Höllenwesen bekam blutunterlaufene Augen. Die Lippen wurden schmal und hart, und als sie sich nach oben schoben, entblößten sie lange, dolchartige Eckzähne.
Ich stand einem Vampir gegenüber!
***
»Na schön, du neunmalkluger Mistkerl!« keifte das gefährliche Mädchen wutentbrannt. »Dann bist du auf den Trick eben nicht hereingefallen. Was macht das schon? Okay, Tony Ballard! Du hast recht! Ich bin nicht Vicky Bonney! Ich sehe nur so aus wie sie, und ich hatte den Auftrag, dich zu Rufus, dem Führer der Chicagoer Dämonenclique, zu bringen. Daraus wird jetzt wohl nichts mehr werden. Folglich muß ich umdisponieren. Für dich ändert sich dabei nicht allzuviel. Du wirst eben nicht erst in ein bis zwei Stunden sterben, sondern jetzt sofort!«
Sie griff mich augenblicklich an.
Ich wich zurück. Sie wußte nicht, daß ich sie mit meinem Messer schwer verletzen, ja, sogar töten konnte. Die Klinge mit den kabbalistischen Zeichen war genauso tödlich wie ein Eichenpfahl, mitten ins Vampirherz getrieben.
Unter anderen Umständen hätte ich keine Sekunde gezögert, dem gefährlichen Blutsauger ein schnelles Ende zu bereiten. Diese Wesen aus dem Schattenreich verdienen keine Milde. Sie sind Geißeln der Menschheit, kennen keine Gnade, töten ihre Opfer mit kaltblütiger Grausamkeit.
Dennoch mußte ich Vickys Doppelgängerin schonen. Ich mußte versuchen, sie zu überwältigen und zu zwingen, mir den Weg zur echten Vicky zu zeigen. Wenn ich sie tötete, verbarrikadierte ich mir selbst den Weg zu ihr.
Sie starrte mich mit großen Augen an.
Ich hatte plötzlich heftige Kopfschmerzen. Mir war klar, was das zu bedeuten hatte: Vickys Ebenbild wollte mich geistig niederringen. Ich kämpfte verbissen dagegen an, merkte aber, daß ich an wichtigem Terrain verlor. Da riß ich blitzschnell meine rechte Faust hoch. Der schwarze Stein meines magischen Rings glitt über meine gefurchte Stirn. Ich malte mir auf diese Weise ein unsichtbares Pentagramm auf die Haut. Kaum war der letzte Strich gezogen, waren die Kopfschmerzen wie weggeblasen.
Der Vampir fauchte wütend, weil es ihm nunmehr unmöglich war, geistige Gewalt über mich zu bekommen.
Vickys Doppelgängerin schnellte sich gereizt vorwärts. Sie riß den Mund weit auf. Ich blickte in einen blutroten Rachen. Die langen, dolchartigen Eckzähne sausten auf meinen Hals zu. Ich schlug mit meiner Rechten kraftvoll nach dem weit offenen Mund. Meine Faust traf voll. Mein magischer Ring brach dem Vampir einen Schneide- und einen Eckzahn aus dem Kiefer.
Das Mädchen heulte gequält auf.
Ich wahrte meine Chance, riß die Bestie herum und setzte ihr mein Messer an die Kehle.
»Wo ist Vicky!« schrie ich dem Vampir ins Ohr. »Wo habt ihr sie hingebracht? Sag es schnell, sonst schneide ich dir die Gurgel durch!«
»Du kannst mich nicht töten, Ballard!« röchelte das Wesen aus dem Schattenreich.
»Ich könnte es mit keinem gewöhnlichen Messer, das ist richtig. Mit diesem hier kann ich es! Ich zähle bis drei. Wenn du bis dahin nicht geredet hast, mache ich kurzen Prozeß mit dir!«
»Ich rede, wenn du mich losläßt, Ballard.«
»Kommt nicht in Frage. Eins!«
»Nimm das Messer von meiner Kehle!«
»Zwei!« sagte ich frostig.
»Na warte, du Bastard…«
»Drei!« zischte ich.
In diesem Moment geschah etwas, womit ich nicht rechnen konnte: Vickys Doppelgängerin wurde zu trübem Nebel, zerfloß zwischen meinen Händen, verschwand und baute sich einen Meter neben mir im selben Tempo wieder auf. So etwas hatte ich noch nicht erlebt. Der Blutsauger hatte sich innerhalb weniger Sekunden regeneriert. Sein Gebiß war wieder vollständig. Es war ein Fehler gewesen, ihm die Kehle nicht sofort durchzuschneiden, denn es war mehr als fraglich, ob ich diese Chance noch einmal haben
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