GK255 - Die Geisterrocker
Fahr allein zu ihnen und entschuldige mich…«
April brauste zornig auf: »Du schickst mich allen Ernstes allein dorthin? Das kann doch nicht wahr sein, Larry!«
Crandalls Ton wurde plötzlich schärfer. »April, man erwartet von mir - und darf es auch erwarten -, daß ich in dieser Situation bei meinen Leuten bin. Und ich - das muß jetzt einmal mit aller Deutlichkeit gesagt werden -, ich erwarte von dir, daß du mehr Verständnis als bisher für meinen Job aufbringst, denn schließlich leben wir davon - und nicht einmal so schlecht!«
Er gab April nicht die Gelegenheit, hysterisch loszulegen, sondern warf den Hörer blitzschnell in die Gabel.
Im selben Moment läutete ein anderer Apparat.
Crandall meldete sich mit seinem stereotypen: »Ja?«
Und gleich darauf erfuhr er von einem seiner Leute die Hiobsbotschaft: »Die gottverfluchten Rocker haben ein Tanzstudio in Brooklyn überfallen, Chef…«
***
Wir gingen die Sache mit großer Gründlichkeit an. Mr. Silver und ich suchten den Schnapshändler Paul Pleaver und dessen Tochter Pascale auf. Die beiden hatten den schlimmsten Schock zum Glück bereits überwunden. Pleavers Lippe hatte genäht werden müssen. Er konnte deshalb nur sehr schlecht sprechen. Die meisten Antworten bekamen wir von Pascale, in deren Augen ich noch einen kleinen Rest von dem Schrecken erkennen konnte, dem sie begegnet war.
Dieses furchtbare Erlebnis hatte sie - wie sie sagte - ernst gemacht, und es zeugte von ihrer charakterlichen Größte, daß sie die Schuld für das, was geschehen war, nicht nur bei den Rockern, sondern auch anderswo suchte. Zum Beispiel bei der Wohlstandsgesellschaft, die nicht in der Lage war, solche Auswüchse zu unterbinden.
Wir sahen uns den Schnapsladen an und stellten fest, daß die Rocker im Demolieren wahre Perfektionisten gewesen waren.
Wenig später standen wir in jenem Abbruchhaus, in dem die sieben Rocker ihr Schicksal ereilt hatte.
Es roch noch beißend nach Rauch.
Wir stolperten über rußgeschwärzte Balken, und Mr. Silver stellte sehr bald schon überzeugt fest, daß sich in jenem Gebäude noch Reste des Bösen aufhielten. Das Unheimliche aus den Tiefen des Grauens klebte an allen Wänden, wie der Ex-Dämon bemerkte. Der Brand hatte es aus diesem Haus nicht vertreiben können.
Wir machten verschiedene Versuche, die das Ziel hatten, die Gefahr, die Möglicherweise noch in diesem Gebäude war, zu vertreiben. Gleichzeitig wollten wir in Erfahrung bringen, womit wir den Geisterrockern begegnen mußten, wenn wir sie vor uns hatten, doch weder mein magischer Ring, noch Mr. Silvers zahlreiche Tricks ließen die gewünschte Wirkung erkennen.
Daraufhin versetzte sich Mr. Silver in Trance, um die Strahlung des Bösen intensiver fühlen zu können. Nichts lenkte ihn ab. Er folgte den mit größter Sensibilität aufgenommenen Wahrnehmungen, aber wenige Schritte vor dem Haus endete die Spur des Bösen und war von meinem Freund und Kampfgefährten trotz allergrößter Anstrengung nicht wiederzufinden.
Ein wenig enttäuscht kehrten wir nach Queens, in Frank Esslins Haus, zurück.
Noch hatte sich nichts ereignet.
Wir erzählten Frank, was wir gemacht hatten. Das Thema war aber bald erschöpft, und dann brach das große Schweigen an.
Zehn Minuten hing jeder von uns seinen Gedanken nach.
Dann kam der Anruf.
Frank hob gleich beim ersten Klingelzeichen ab. Wir beobachteten ihn gespannt. Sein Körper straffte sich. »Wann?« stieß er heiser hervor. »Wo?« Er lauschte mit wachsender Ungeduld der Stimme des Anrufers, legte dann hastig auf und blickte uns mit flatternden Augen an. »Das war Larry Crandall«, sagte er und wies auf das Telefon. »Die Geisterrocker sind aufgetaucht. Sie haben ein Tanzstudio überfallen. Ein Mädchen ist vor lauter Angst aus dem Fenster gesprungen!«
***
Als wir dort eintrafen, bot sich uns ein Bild, das so furchtbar war, daß ich es wohl lange nicht vergessen werde. Die halbnackten Mädchen lagen oder hockten auf dem Boden und weinten haltlos. Ihre Trikots hingen in Fetzen von ihrem schlanken Körper. Diese jungen Dinger sahen so verstört und unglücklich aus, daß mir bei ihrem Anblick fast das Herz brach.
Sie standen alle noch unter schwerster Schockeinwirkung.
Sie schienen nicht zu wissen, daß ihre Blößen nicht bedeckt waren.
Vielleicht wußten sie es aber auch, und es war ihnen egal. Alles war ihnen seit diesem schrecklichen Erlebnis egal.
Ich sah Kratzwunden an Oberschenkeln, Blutergüsse an den Oberarmen. Fast
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