GK255 - Die Geisterrocker
alle Mädchen hatten Verletzungen davongetragen.
Die Geisterrocker hatten so schrecklieh gewütet, daß mein Magen vor Wut zu rebellieren begann.
Der Polizeiarzt hatte alle Hände voll zu tun.
Er gab jedem Mädchen zunächst einmal eine Beruhigungsspritze. Erst dann sah er sich die Verletzungen an.
Zwei Meter von mir entfernt saß ein schluchzendes Mädchen. Irgend jemand sagte mir, daß sie Yvonne hieß.
Während Mr. Silver sich den verätzten Parkettboden ansah - es war die Stelle, wo einer der Rocker ausgespuckt hatte -, ging ich neben Yvonne in die Hocke. Sie starrte mich mit tränenverhangenem Blick an, sah aber gleichzeitig durch mich hindurch.
»Sie… war meine beste Freundin!« wimmerte sie.
Ich hörte, wie ein Ambulanzwagen abfuhr.
Man brachte Marc Bloomingdale, den Portier, der ebenfalls einen furchtbaren Schock erlitten hatte, ins Krankenhaus.
Zwei neue Ambulanzwagen trafen ein.
»Wie war ihr Name?« fragte ich das zitternde, völlig verstörte Mädchen.
»Linda«, hauchte Yvonne total fertig. »Warum hat sie das nur getan?«
»Aus Angst.«
»Wir hatten alle Angst«, sagte Yvonne.
»Linda hatte die schwächeren Nerven. Das hat sie das Leben gekostet.«
Yvonne biß sich in die zitternde Hand und betrachtete ihre aufgeschundenen Knie. Nach einer Weile fragte sie mich gepreßt: »Wer wird es ihren Eltern sagen? Ich kann es nicht. Ich würde das einfach nicht fertigbringen.«
»Das wird jemand von der Polizei besorgen. Yvonne, mein Name ist Anthony Ballard. Wenn Sie so wollen, bin ich Dämonenjäger von Beruf. Sie hatten eine schlimme Begegnung mit solchen Elementen aus den Dimensionen des Schreckens. Wollen Sie mir helfen, diesen grausamen Bestien das Handwerk zu legen?«
Yvonne blickte mich groß an. »Ich? Wie könnte ich Ihnen denn helfen, Mr. Ballard?«
»Fühlen Sie sich imstande, über das, was hier vorgefallen ist, zu sprechen? Mich interessiert jede Kleinigkeit. Auch das Unwesentliche. Ich muß mir ein Bild von ihrer Vorgangsweise verschaffen, um sie wirksam bekämpfen zu können.«
Yvonne nagte an ihrer Unterlippe. »Sie verlangen sehr viel von mir, Mr. Ballard.«
»Ich weiß, und wenn Sie sich außerstande sehen, mit mir darüber zu reden, bin ich Ihnen nicht böse. Ich hätte dafür vollstes Verständnis.«
Yvonne rieb sich fröstelnd die Oberarme. »Ich will es versuchen. Wegen Linda…«
»Das ist sehr vernünftig.«
»Haben Sie eine Zigarette für mich?«
»Tut mir leid, ich bin Nichttaucher. Aber warten Sie…« Ich wandte mich um und rief Frank Esslin. Der Arzt kam.
»Ja, Tony?«
»Hast du mal eine Zigarette, Frank?«
Er schaute mich erstaunt an. »Seit wann rauchst du?«
»Sie ist für Yvonne.«
»Ach so.«
Das Mädchen bekam die Zigarette, und Frank gab ihr Feuer. Sie rauchte mit geschlossenen Augen, pumpte den Rauch tief in ihre Lungen hinunter, hoffte, daß das Nikotin sie beruhigen würde. Der Glimmstengel wippte zwischen ihren unruhigen Fingern ständig auf und ab. Auch Yvonne hatte vom Polizeiarzt eine Injektion bekommen. Die Droge begann allmählich zu wirken. Das Zittern des Mädchens nahm merklich ab. Sie wurde ruhiger.
»Geht’s jetzt besser?« erkundigte ich mich.
Jene Mädchen, die von den Geisterrockern am übelsten zugerichtet worden waren, wurden von den Ambulanzleuten nach unten gebracht.
Auch der Ballettstudiobesitzerin, Mrs. Jordan, wurde nahe gelegt, sich in ärztliche Pflege zu begeben.
Nur sechs Mädchen - Yvonne eingeschlossen - waren soweit okay, daß man sie in häusliche Pñege entlassen konnte.
»Ich fühle mich scheußlich«, ächzte Yvonne.
»Das kann ich verstehen.«
»Irgendwie habe ich das Gefühl, schuld am Tod meiner Freundin zu sein.«
»Das ist doch Unsinn, Yvonne«, widersprach ich. »Linda ist selbst aus dem Fenster gesprungen. Die Schuld liegt einzig und allein bei diesen verfluchten Geisterrockem.«
»Und bei mir«, flüsterte Yvonne beharrlich.
»Ich verstehe Sie nicht.«
»Es war mein Vorschlag, diese Ballettschule zu besuchen. Durch meine Veranlassung kam Linda hierher.«
»Also, wenn Sie daraus eine Schuld konstruieren wollen, dann könnte ich genauso behaupten, Mrs. Jordan wäre schuld an diesem schrecklichen Ereignis, denn hätte sie dieses Studio nicht gegründet, dann hätte es zu diesem Vorfall niemals kommen können. Oder: Der Architekt, der dieses Haus gebaut hat, ist schuld, denn wenn es das Gebäude nicht gegeben hätte, hätte Mrs. Jordan ihr Studio nicht darin etablieren können… So besehen,
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